Christoph Leitl findet die von Finanzminister Hans Jörg Schelling eingeleitete Debatte über die Zumutbarkeit von Jobs für Arbeitslose gut.

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Wien – Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl stärkt in der Debatte um die Zumutbarkeitsbestimmungen für das Arbeitslosengeld seinem Parteifreund Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) den Rücken. Er finde es gut, die Frage der Zumutbarkeit zu thematisieren. "Wäre ich arbeitslos, würde ich gerne was annehmen – allein wegen dem Sinnerlebnis in meinem Leben." Es werde doch in Österreich noch möglich sein, eine fachliche Diskussion zu führen, so Leitl zur APA.

Finanzminister Schelling hatte am Wochenende mit der Aussage für Aufregung gesorgt, dass es unter anderem deshalb so viele Arbeitslose gebe, weil der Unterschied zwischen deren Einkünften und einem Erwerbseinkommen zu gering sei. Am Montag betonte Schelling dann, er wolle weder das Arbeitslosengeld noch die Mindestsicherung kürzen. Jedoch fehlt es aus seiner Sicht an ausreichenden "Anreizen" für Erwerbslose, wieder einen Job anzunehmen.

Arbeitslose und der KV

Der Wirtschaftskammerpräsident sieht das ähnlich. "Wenn ich lese, dass Wirtshäuser zusperren müssen, weil sie keine Leute mehr bekommen, die bereit sind, am Wochenende zu arbeiten, dann stimmt doch etwas in unserem Land nicht." Auf der einen Seite suchten Betriebe händeringend nach Fachkräften, auf der anderen Seite stiegen die Arbeitslosenzahlen. Darüber müsse die Politik – gemeinsam mit den Sozialpartnern – diskutieren und eine "Regelung" finden, fordert Leitl.

Ob es an der geringen Bezahlung liegt, dass etwa die Gastronomiebetriebe schwer Arbeitskräfte finden? "Es gilt in Österreich der Kollektivvertrag, da gibt es keine Ausrede. Was die einzelnen Branchen bezahlen, bestimmten die Kollektivvertragspartner. Wir haben rund 700 KV-Regelungen pro Jahr, um auf die Möglichkeiten und Notwendigkeiten der Branchen einzugehen – unterzeichnet von Arbeitgebern und Arbeitnehmern", sagte der WKÖ-Präsident. Offensichtlich, so Leitl, gebe es Arbeitslose, die den Kollektivvertrag "nicht anwenden wollen".

Deutsche und Österreicher

Zum Thema Fachkräfte aus dem Ausland meinte der WKÖ-Chef, dass in Österreich bereits mehr Deutsche beschäftigt seien als umgekehrt. "Da muss man sich schon fragen, was ist die Ursache." Die steigende Arbeitslosigkeit macht Leitl große Sorgen. Daher müsse die Politik endlich handeln, anstatt "wieder einmal" auf die Konjunktur zu hoffen. "Jeder fürchtet, dass wir im Winter die 500.000er-Marke überschreiten, was psychologisch fatal wäre", so der Wirtschaftskammerpräsident.

Angesichts dessen und der anhaltenden Investitions- und Wachstumsschwäche kann Leitl nicht verstehen, warum jetzt das "erfreulicherweise" beschlossene Sonderwohnbauprogramm "im Kompetenzstreitigkeiten-Dschungel hängen bleibt und im Winter nicht kommt." Wenn die Wohnbauoffensive im Herbst beginne, "wird das vielleicht nächstes Jahr wirksam", so Leitl. "Da geht man mit den Arbeitslosigkeitszahlen leichtfertig um."

Prämie für Investitionen

Überhaupt habe es im ersten Halbjahr 2015 nicht viele erfreuliche Meldungen gegeben, was den Standort Österreich betrifft, findet der WKÖ-Chef. Wirtschaftswachstum zu "erhoffen", sei zu wenig, so Leitl in Richtung Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ). "Wenn der Sozialminister von der Hoffnung zur Respektierung von Vorschlägen käme, würde das Applaus verdienen."

Die Wirtschaftskammer habe einige "leistbare" Vorschläge zur Ankurbelung der Wirtschaft parat, die bisher jedoch unerhört geblieben seien. So fordert Leitl etwa eine – zeitlich begrenzte und gedeckelte – Prämie für zusätzliche Investitionen. "Dann würden viele Unternehmen ihre Pläne herausholen, die sie in der Schublade haben." (APA, 30.7.2015)