Knapp ein Monat hat Ahmet Davutoglu noch, 27 Tage, genauer gesagt, um eine Koalition zu suchen. Nicht so sicher ist es, ob er auch eine finden darf. Staatschef Tayyip Erdogan scheint Himmel und Erde in Bewegung zu setzen, um Neuwahlen zu erreichen und seine konservativ-islamische Regierungspartei AKP wieder in ihr angestammtes Recht zu setzen: allein in der Türkei zu herrschen. Machterhalt und fortgesetzte Immunität vor Strafverfolgung gelten als die zwei antreibenden Interessen, die Erdogans Handeln bestimmen. Ihnen hat sich auch sein Statthalter in der Regierung, Ahmet Davutoglu, zu beugen.

Bemühungen um eine Koalitionsregierung ins Leere laufen zu lassen hieße aber, den türkischen Wähler nicht ernst zu nehmen. Der hat Anfang Juni die AKP wohl wieder zur stärksten Partei gemacht, aber zum Ausgleich die neue Kurden- und Linkspartei HDP ins Parlament gehievt. Die Türken haben seither zunächst viele politische Sendepausen erlebt und dann den Beginn eines Kriegs nach innen und außen – mit täglichen Bombardements, Massenfestnahmen sowie der Internetzensur kurdischer Medien.

Der HDP ist es gelungen, einen Großteil der Kurden politisch zu vertreten. Doch auf die Untergrundarmee PKK hat sie offensichtlich keinen Einfluss. Verantwortliche Politik hieße, gemeinsam mit der HDP die PKK gesellschaftlich zu isolieren. Erdogan tut das Gegenteil. Er will für die Neuwahlen konservative kurdische Wähler zurückgewinnen. (Markus Bernath, 28.7.2015)