Bild nicht mehr verfügbar.

Verstöße en masse gegen Unionsrecht wittert die EU-Kommission im Zuge der Einführung eines neuen Austrotakts für die Bahn.

Foto: AP/Stratenschulte

Wien – Eigentlich wollte das Verkehrsministerium für Haupt- und Anschlusszüge zügig einen Austrotakt einführen. Nun ist der "Integrale Taktfahrplan" (ITF) gehörig aus dem Takt. Die Behandlung im Verkehrsausschuss des Nationalrats am 9. Juni wurde mangels Gesetzestext in aller Stille abgesagt, stattdessen warb Verkehrsminister Alois Stöger (SPÖ) für einen ITF. Angepeilt ist nun die November-Sitzung. Der Grund der Verspätung: Die EU-Kommission hat sich eingeschaltet und vom Beschluss des neuen Eisenbahngesetzes abgeraten.

In ihrem Brief vom 3. Juni warnt die Generaldirektion Mobilität und Verkehr (DG Move) vor der Einführung eines ITF, mit dem das Verkehrsministerium der ÖBB Vorrang geben wollte, weil deren Teilkonzern ÖBB-Personenverkehr AG als einziges Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) in der Lage ist, landesweit einen ITF anzubieten. Konkurrenten wie die Westbahn, die nur Teilstrecken bewirtschaften dürfen, würden ausgebremst. "Inwieweit ein Gebot der Priorisierung von Verkehrsdiensten (...) dem Erfordernis einer möglichst effektiven Nutzung der vorhandenen Fahrwegkapazität angemessen Rechnung trägt, erscheint jedenfalls fraglich", schreibt der Generaldirektor der DG Move, João Aguiar Machado, in dem Brief an Österreichs Botschafter in Brüssel und das Verkehrsministerium in Wien, der dem STANDARD vorliegt.

Rahmenregeln

Fraglich sei insbesondere, ob die Geschäftsführung des Infrastrukturbetreibers – gemeint ist der Vorstand der für das Schienennetz zuständigen ÖBB-Infrastruktur AG – unter den vom Verkehrsministerium ersonnenen Rahmenregeln zur Zuweisung von Fahrwegkapazität (Trassen) noch unabhängig genug sei, um Trassen gerecht und nichtdiskriminierend zu vergeben, wie dies die EU-Richtlinie 2012/34/EU vorsieht. Das ist Wasser auf die Mühlen der EU-Kommission, hegt diese doch seit längerem den Verdacht, dass die Rechnungskreise der ÖBB hinsichtlich Netz- und Absatzbereich nicht sauber getrennt sind.

Weiter heißt es: "Die vorgeschlagenen Regelungen (...), wonach einem bedeutenden Teil der nationalen Schienenpersonenverkehrsdienste automatisch Vorrang vor sonstigen Verkehren zukommen soll, schränken den Freiraum des Infrastrukturbetreibers bei der Zuweisung von Fahrwegkapazität erheblich ein." Bliebe der Gesetzentwurf, wie er ist – ein Text, in den Änderungen aus der parlamentarischen Begutachtung eingearbeitet wurden, liegt bis dato nicht öffentlich vor –, würde ein EVU, das nicht österreichweit tätig ist, bei einem Trassenkonflikt immer verlieren – selbst wenn es in der Lage wäre, eine höhere Schienenmaut zu zahlen.

Effiziente Auslastung

Das geht der DG Move zu weit, ist das Ziel doch eine möglichst effiziente Auslastung des Schienennetzes. Effizienz heißt freilich auch: Das Infrastrukturbenützungsentgelt soll tunlichst kostendeckend sein, wovon Österreich meilenweit entfernt ist.

Eine Priorisierung nationaler Personenverkehrsdienste erscheine auch im Hinblick auf das Ziel eines europäischen Eisenbahnraumes im grenzüberschreitenden Verkehr "bedenklich", warnt die DG Move mit dem Hinweis, dass Verkehrsdienste nur in Ausnahmefällen Vorrang bekommen dürfen, etwa bei Überlastung der Infrastruktur (und da auch nur für gemeinwirtschaftliche, also öffentlich finanzierte Leistungen).

Nun begehrt DG-Move-Chef Aguiar Machado Auskunft, wie Österreich die teils gravierenden Vorbehalte auszuräumen gedenke, und bietet hiebei Hilfe an: "Meine Dienststellen sind gerne bereit, die angesprochenen Aspekte mit Ihren Dienststellen zu erörtern, um eine richtlinienkonforme Lösung sicherzustellen." (Luise Ungerboeck, 29.7.2015)