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Ich arbeite, du arbeitest? Ein Asylwerber kommt erst dann zu einer Beschäftigungsbewilligung, wenn sich für diese Position kein Inländer findet. Das Gesetz schließt einen Verdrängungswettbewerb am Arbeitsmarkt aus. Dennoch wird genau diese Angst in der Bevölkerung bewusst geschürt.

Foto: APA/dpa/Marijan Murat

Asylsuchende haben seit kurzem einen klagbaren Anspruch auf Beschäftigung neun Monate nach Beginn ihres Asylverfahrens. Möglich macht diesen effektiven Zugang zum Arbeitsmarkt eine für alle EU-Mitglieder verpflichtende Europäische Aufnahme-Richtlinie, die seit 20. Juli in Kraft ist. Von diesem Recht könnten einige tausend Menschen auch in Österreich Gebrauch machen; es ist zu hoffen, dass es möglichst viele – beziehungsweise deren prospektive Arbeitgeber – tun werden.

Dass sie überhaupt den Klagsweg beschreiten müssen, ist eine weitere Schande für Österreich. Es ist Zeit, der politischen und persönlichen Verantwortlichkeit für diesen Missstand nachzugehen. Dabei ergibt sich ein Sittenbild, das auch vor den obersten Repräsentanten unseres Staates nicht Halt macht.

Feindbild Asylsuchende

Die Regierungsparteien tragen an der Entstehung des Feindbildes, Asylsuchende würden "uns" Arbeitsplätze "wegnehmen", das im Zuge der Wahlen in der Steiermark und im Burgenland wieder verstärkt hochkam, eine große Mitverantwortung. Es ist eine Unterstellung, die keinem Faktencheck standhält. Tatsächlich ist es so, dass in Österreich Asylsuchende per Gesetz, also per System, nicht uneingeschränkt arbeiten dürfen.

Politik in der Verantwortung

Welche Politiker sind für dieses Sittenbild verantwortlich? Da ist zunächst der frühere Arbeitsminister Martin Bartenstein (ÖVP) mit seinem "Erlass" aus dem Jahr 2004. Dieser hebelte das sogenannte Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) aus und beschränkte die Arbeitsmöglichkeit im Wesentlichen nur auf "Saisonarbeit" in der Gastronomie und Landwirtschaft. Durch unglaubliche bürokratische Hindernisse konnten nur wenige Menschen von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, da die Gefahr, aus der "Grundversorgung" hinauszufliegen, mehr als real war.

Laut einer Wifo-Studie erhielten "in den Jahren 2006 bis 2014 insgesamt nur 2.840 Personen 5.340 Kontingentbewilligungen als Erntehelfer." Das sind nur 315 (!) Menschen pro Jahr – und all das mit einem ungeheuren administrativen bürokratischen Aufwand. Dasselbe gilt für die Lehrlingsausbildung bei jugendlichen Asylsuchenden. Es gab bis Oktober 2014 nur 111 Lehrlinge, die eine Lehrstelle bekommen haben, wobei sich Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) gewundert hat, dass "komischerweise" 76 dieser 111 Lehrlinge sich nur für einen, nämlich den Kochberuf, entschieden haben. Der Grund dafür ist, dass auch für Lehrstellen eine enge Branchenbeschränkung von ihm selbst eingeführt wurde.

Stimmen für Arbeitsmarktöffnung

In den vergangenen beiden Jahren haben sich die Stimmen gehäuft, die einen effektiven Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende gefordert haben. Diese Forderung wurde nicht nur in unserer Petition im Jahr 2013 erhoben, auch die für Flüchtlingsfragen zuständigen Landesräte in den Bundesländern haben diese Forderung gestellt. Und nicht nur von der Arbeiterkammer, auch von gewerkschaftlicher Seite kamen immer lauter werdende Stimmen, die Abschottung der Asylsuchenden vom Arbeitsmarkt zu beenden. Von NGOs wurde der Zugang zum Arbeitsmarkt immer wieder gefordert.

In mehreren Briefen an Minister Hundstorfer hat etwa unsere Initiative an ihn appelliert. Einzig konnten wir erreichen, dass er die von uns vorgeschlagene Studie beim Wifo Ende 2014 in Auftrag gab. Als die Ergebnisse im April 2015 vorlagen, hielt er die Studie unter Verschluss und konnte erst durch intensiven medialen Druck – auch vom STANDARD – veranlasst werden, diese auf die Homepage des Ministeriums zu stellen.

Gleichzeitig betonte er jedoch in einer APA-Aussendung vom 1. Juli: "Für mich ist eine Öffnung des Arbeitsmarktes nicht vertretbar." In seiner Begründung findet sich wieder das Muster von früher: Asylsuchende würden die Arbeitslosigkeit weiter verstärken. Da sich die Asylanträge stärker als – auch vom Wifo – erwartet erhöht hätten, fehlt in seiner Stellungnahme jeglicher Hinweis, dass die Studie seitens des Ministeriums ernst genommen wird.

Nicht nur humanitäre Vorteile

Bei genauer Betrachtung der Studie enthält diese jedoch – selbst bei Interpolation höherer Antragszahlen – eine Fülle von Erkenntnissen und Empfehlungen, die von der Politik sehr ernst genommen werden sollten.

Der – relativ geringe – Anstieg in der Arbeitslosenrate wäre zwar ein Einmaleffekt, diesem stünden jedoch gesamtwirtschaftliche – und nicht nur humanitäre – Vorteile gegenüber. Diese sind allerdings nur dann zu erzielen, wenn – vernünftigerweise – ein Arbeitsmarktzugang auf alle Sektoren der Wirtschaft mit größerer Chancengleichheit für die Betroffenen und möglichst frühzeitig (bereits nach drei oder sechs Monaten) erfolgt, verstärkt Vorkehrungen für einen effizienten Übergang zwischen Beschäftigung und Grundversorgung getroffen werden und eine zielgruppenspezifische Betreuung von Asylwerberinnen und Asylwerbern (insbesondere für Frauen und Jugendliche) mit grundlegenden Integrationsmaßnahmen (vor allem Deutschkursen) erfolgt.

Der Umkehrschluss aus diesen Empfehlungen ist eine vernichtende Beurteilung des Status quo, wie Österreich mit den Asylsuchenden in der Praxis verfährt. Tatsächlich – es ist beschämend, wie oft die Studienautoren darauf verweisen müssen – ist die Datenlage hierzulande derart dünn (weder die Sprachkompetenzen noch die Qualifikationen der Asylsuchenden wurden bis jetzt erfasst), dass sich das klare Bild des kompletten Desinteresses seitens der befassten Behörden an den Menschen, die bei uns Schutz suchen, ergibt.

Schüren von Ressentiments

Hundstorfer ist jedoch nicht das einzige Regierungsmitglied, das sich dezidiert gegen den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende ausspricht: Auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) erklärte im Juni im "Profil" unumwunden, also zeitgleich mit ihm: "Ich bin ganz klar gegen eine Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylwerber. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit wäre das ein Fehler, der nur neue Ressentiments auslöst." Dass genau diese Ressentiments durch nicht vorhandene Basisinformation seitens der Bundesregierung geschürt werden, ist ihr offenbar nicht bewusst.

Auffällig ist weiters die Tatsache, dass weder von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) noch von Bundespräsident Heinz Fischer Wortmeldungen bekannt sind, aus denen ein klares Bekenntnis zu einem grundsätzlichen Recht auf Arbeit für Asylsuchende erkennbar wäre. Durch ihr Schweigen tragen sie Mitverantwortung an der systematischen Diskriminierung dieser Menschen.

Österreich agiert nicht, es reagiert nur

Auch wenn im europäischen Vergleich Österreich in manchen Bereichen der Asylpolitik besser dastehen mag als andere EU-Länder, der Maßstab unseres Handelns ist nicht dieser Vergleich, sondern der eigene Spiegel. Dieser zeigt ein sehr hässliches Gesicht davon, wie und warum wir mit Schutzsuchenden umgehen. Dazu kommt, dass die Politik längst vorhersehbare Entwicklungen – etwa die Ströme der Kriegsflüchtlinge über die Balkanroute – niemals professionell antizipiert, sondern immer nur reagiert, und dies dann auf eine oft vollkommen realitätsfremde, von bürokratischen Hindernissen nur so gespickte Vorgangsweise.

Es braucht eine "Effizienzstelle"

Die Bundesregierung sollte dringend eine "Effizienzstelle" – vergleichbar mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung bei Bauprojekten – einrichten, die jede Gesetzesvorlage zu approbieren hat, bevor sie verbindliche Wirkung erlangt. Ich bin überzeugt, dass dadurch nicht nur volkswirtschaftlich Milliarden von Euros eingespart werden könnten, sondern auch unschätzbare menschliche Vorteile für die Betroffenen erzielbar wären. Eine solche Stelle könnte beim Rechnungshof angesiedelt sein, dessen Kompetenzen entsprechend zu erweitern wären.

Keine Vorbildwirkung in Europa

Die Asylpolitik Österreichs hat insgesamt versagt. Auch Anny Knapp von der Asylkoordination hat unlängst bestätigt: "In Österreich ist im Wesentlichen immer erst dann etwas geschehen, wenn Druck von der EU gekommen ist." Diese Regierung – wie auch alle Vorgängerregierungen der vergangenen 15 Jahre – hat es verabsäumt, als kleines Land mit einer großen humanitären Tradition (Ungarn, Tschechien, Bosnien) eine Vorbildwirkung in Europa einzunehmen. Sie hat immer auf innenpolitische Anbiederungen Bedacht genommen und dabei ihre sozialen und christlichen Wurzeln zusehends, bis zur Unkenntlichkeit, erodiert. Kein Wunder, dass die Regierungsparteien in den letzten Landtagswahlen Verluste hinnehmen mussten.

Die Zahnlosigkeit unseres Parlaments in der Asyldebatte konnte auch unsere Plattform feststellen. Es fanden sich zwar einige Abgeordnete, die unsere Petition namentlich unterstützten. Letzten Endes hat sich aber der Petitionsausschuss inhaltlich mit unseren Forderungen nicht befasst. Einer der Abgeordneten bezeichnete ihn als "Schubladisierungsverein". Tatsächlich kam es entgegen erster Ankündigungen zu keinem "Hearing". Die keineswegs leise Stimme der Zivilgesellschaft wird nicht nur von der Regierung, sondern auch vom Parlament weitgehend ignoriert.

Kehrtwendung gefordert

In Schweden hat sich die Regierungskoalition ganz klar gegen den rechten Flügel des politischen Spektrums abgegrenzt, in Österreich ist das nicht der Fall. Dabei wird immer übersehen, dass eine Abgrenzung nicht notwendigerweise eine auch für die Zukunft bleibende Ausgrenzung bedeuten muss. Dazu sind aber ex ante und nicht ex post grundlegende Pflöcke einzuschlagen. Es werden immer mehr – und nicht weniger – Menschen in unserem Land, die eine so klare Haltung einfordern. Auch vom Sozialminister ist eine Kehrtwendung in der Asylpolitik dringend geboten, seine gegenwärtige Einstellung würde ihn für die Bundespräsidentschaft nicht qualifizieren.

Zuvor werden aber die ersten Klagen aufgrund der neuen EU-Richtlinie anhängig werden, die für Österreich in der EU kein Ruhmesblatt darstellen. (Ernst Löschner, 29.7.2015)