Christian Gerhaher: Großmeister der Lyrik und Leichtigkeit.


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Salzburg – Einen Musiker wie Nikolaus Harnoncourt kann man mit Gustav Mahler eher jagen. Zu viel "Ich" erlebt der Dirigent in den symphonischen Wucherungen des späten Romantikers. Und Mahler selbst hat das Autobiografische seiner Kunst ("Meine Musik ist gelebt") durchaus betont. Christian Gerhaher würde allerdings Harnoncourt wie Mahler widersprechen. Es finden sich von ihm Aussagen, die ihn als Skeptiker – bezüglich einer eindeutigen Werkauslegung – zeigen.

Wer Gerhaher im Haus für Mozart erlebt, ist allerdings geneigt, angesichts der Verschmelzung von technischem Können und Musikalität alle Debatten über die Vieldeutigkeit des zu Interpretierenden ein für alle Mal zu beenden. Nur so und nicht anders können Mahler-Lieder klingen! Nur so, wie Gerhaher sie umsetzt! Gerhaher schwebt vokal auf einem Niveau, das die Illusion von Letztgültigkeit erweckt; wie jede in sich schlüssige, aber natürlich letztlich subjektive Interpretation.

Geheimnisvoll entspannt

Dabei ist Gerhahers Zugang selbst geheimnisvoll entspannt: Da ist kein angestrengtes Outrieren, keine Note wirkt aufdringlich und subjektiv parfümiert. Gerhahers Timbre verfügt in allen Lagen über Charakter und poetische Aura, Töne und Linien strömen leicht und schlicht. Und: Die Stimme bleibt auch im Dramatischen bei sich, transportiert das emotionale Konzentrat eines Liedes mühelos. Und dies mit einer Textdeutlichkeit, die dennoch immer eingebettet bleibt in magischen Klang. Es kann durchaus die Klarheit der Diktion bei Ich hab' ein glühend Messer betont werden oder das Tragfähige des Leisen und Lyrischen bei Ablösung im Sommer. In jedem Lied fand sich Delikates; in Summe waren nur zwei, drei Noten zu hören, die nicht gänzlich gelangen. Beruhigend, dass es sie gab.

Gänzlich zu sich kam die Stimme jedoch bei den Kindertotenliedern, die Gerhahers Stil, was nicht zu erwarten war, noch zu verdichten schienen. Das Haus für Mozart wurde dabei zu einem kleinen Raum, in dem höchste musikalische Dichte des intimen Ausdrucks hergestellt wurde. All die elegischen Pianissimi, die ansatzlos herausgezauberten, vibratolosen Töne mit ihrem narkotischen Klang, die Pianist Gerold Huber mitgestaltend inspirierte, bargen gewissermaßen schon alle möglichen Zugaben in sich.

Dennoch hauchte Gerhaher schließlich Mahlers Urlicht. (Ljubiša Tošić, 28.7.2015)