Dass Rudolf Haschas Mitarbeiterin jedes Hendl beim Namen kennt, verwundert nicht wirklich, wenn man den Haschahof am Rande des zehnten Wiener Gemeindebezirks betritt. Eifrig holt sie die frisch gelegten Bioeier aus dem Stall, um sie stolz zu präsentieren und gleich hinzuzufügen: "Wollen S' das Henderl einmal halten"? Danke, aber ich schau lieber nur.

Foto: Alex Stranig

Der Hof war lange Zeit für viele die Gemüseanbauoase Wiens. Parzellen konnten gemietet werden, das Gemüse wurde gesetzt, und geerntet hat man dann selbst. Seit der Pachtvertrag letztes Jahr ausgelaufen ist, konzentriert sich Rudolf Hascha voll auf die Vermarktung regionaler Bioprodukte. "Wir waren durch unsere Pflückgärten schon immer sehr nah am Kunden dran.

Durch die neuen Umstände mussten wir uns was Neues einfallen lassen und legen den Fokus jetzt auf unseren Hofladen", sagt der leidenschaftliche Landwirt. Besonders ist nicht nur der Hof, sondern sind auch die selbst gebrauten Biere seines Nachbarn, Robert Michael Müller, der eigentlich Tierarzt ist.

Bier vom Nachbarn.
Foto: Alex Stranig

Mit seiner Idee, nachhaltige Produkte umliegender Kleinproduzenten an den Mann zu bringen, trifft Hascha den Nerv der Zeit, steigt doch die Nachfrage – vor allem in der Stadt. Dass das Angebot von Ab-Hof-Produkten im urbanen Raum meistens sogar besser und vielfältiger ist als auf dem Land, mag viele verwundern. Vor allem in und rund um Wien kann man sich nicht über zu wenige Ab-Hof-Verkaufsstellen beschweren. Das war nicht immer so – viel zu verlockend ist es in den letzten Jahren geworden, alles zu jeder Zeit im Supermarkt zu bekommen. Die Nachfrage nach regionalen, nachhaltigen und fair produzierten Lebensmitteln steigt aber.

Herausforderung Logistik

Immerhin 46.000 Produzenten geben von sich aus an, Direktvermarkter zu sein und Ab-Hof-Produkte anzubieten. Die Definition ist dabei wohl Auslegungssache. Für Christian Jochum von der österreichischen Landwirtschaftskammer gibt es aber ganz klare Richtlinien. Verkauft werden darf, was direkt am Hof gewachsen und verarbeitet wurde. Der Projektleiter der Marke "Gutes vom Bauernhof" kennt aber auch die Herausforderungen, vor denen Klein- und Kleinstproduzenten oft stehen. "Das Problem in der Direktvermarktung ist vor allem die Logistik.

Vielen Kunden fehlt oft die Zeit, für unterschiedliche Produkte zu unterschiedlichen Betrieben zu fahren", sagt Jochum und arbeitet mit seinem Team an neuen Ideen, um Produzenten und Kunden an einem Ort zusammenzubringen: "Die Herausforderung liegt im Vertrieb. Dass der Supermarkt in Österreich so erfolgreich ist, hängt damit zusammen, dass man alles auf einem Fleck hat. Wir müssen die Produkte der Direktvermarkter irgendwo bündeln. Ein städtischer Bauernladen mit einem breiten Angebot wäre eine Lösung".

Ab Hof einkaufen im siebten Bezirk

Nina Mohimi und Dani Terbu planen für Herbst die Eröffnung der "Marktwirtschaft".
Foto: Taste Austria

Damit spricht er Dani Terbu und Nina Mohimi wohl aus der Seele, die bereits einen Schritt weiter sind und gemeinsam mit den Initiatoren Michael Schuster & Lucanus Polagnoli genau das umsetzen – eine Art Markthalle, in der Produzenten fest oder temporär ihre Produkte anbieten können. Diesen Herbst soll die "Marktwirtschaft" im siebten Wiener Gemeindebezirk eröffnen und neben einem breiten Ab-Hof-Angebot auch ein kleines Bistro, eine Schauküche und einen Verkostungsraum beherbergen. Terbu und Mohimi betreiben unter anderem die Website "Taste Austria" und beschäftigen sich schon lange mit dem Thema Direktvermarktung. Auf ihrer Online-Plattform bringen sie Produzenten und Kunden zusammen. Direktvermarkter haben die Möglichkeit, sich professionell zu präsentieren, Kunden wird die Suche nach Angeboten in der Umgebung erleichtert.

Die Absicht, ein breites Lebensmittelangebot unterschiedlicher Produzenten zu bündeln, verfolgt auch das in Frankreich gegründete Modell der "Food Assembly", bei dem Kunden online bestellen und Bauern einmal pro Woche ihre Produkte an einen Ausgabeort bringen. Von dort kann man seine bestellten Lebensmittel dann direkt abholen. In Österreich hat die Assembly noch keinen Standort. Das Angebot heimischer Ab-Hof-Geschäfte kann sich aber sehen lassen – vor allem in Wien.

Lieber in der Stadt

Auch Georg Rohrauer und seine Freundin Annemarie Wanner verkaufen ihre Bioprodukte lieber im eigenen Geschäft in der Stadt. "Es hätte keinen Sinn gemacht, den Hofladen bei uns im Dorf zu eröffnen. Der Markt ist da einfach zu klein", so Rohrauer. Wanner ergänzt: "Wir haben mit dem Verkauf auf Märkten angefangen und machen es heute noch. Aber man muss natürlich alles hin- und wieder wegschleppen. Der Laden ist logistisch viel einfacher zu handhaben." Neben ihrem eigenen Sortiment, das von selbst produziertem Senf über Chilipasten bis hin zum Marillennektar eigener Obstbäume reicht, verkaufen die beiden auch Produkte von Kleinstproduzenten – und das mitten in Wien.

"Produzenten, die besser kommunizieren, sind ganz klar im Vorteil"

Seit zwei Jahren betreiben sie den "Dazu Hofladen" im neunten Bezirk und sind überzeugt, dass man seinen Kunden entgegenkommen muss. "Die Leute kaufen gerne da ein, wo sie wohnen, und wollen ein breites Angebot. Niemand will eine Flasche Milch durch die halbe Stadt schleppen. Es soll bequem sein und schnell gehen", weiß Rohrauer.

Diese Probleme kennen Gottfried Bruckners Kunden nicht. Der Quereinsteiger betreibt ein paar Häuser weiter seit einigen Jahren den Zustellservice Bio Wichtl und verdient sein Geld mit der Hauszustellung von Biolebensmitteln. "Einkaufen und gustieren kann man bei uns nicht.

Dafür liefern wir mehrmals pro Woche direkt vor die Haustüre. Vorbestellungen machen es möglich, bedarfsorientiert zu planen. Nachdem wir genau wissen, wie viele Produkte wir brauchen, wird auch nichts weggeworfen", erklärt Bruckner. Wer denkt, dass dieses Angebot vor allem Kunden mit locker sitzendem Geldbörserl anspricht, der irrt: "Wir haben nicht nur Gutverdiener als Kunden, sondern auch Familien, die aufs Geld schauen müssen und denen bewusste Ernährung wichtig ist".

Foto: Alex Stranig

Ab Hof bedeutet aber für viele Kunden mehr, als regelmäßig ein Gemüsekisterl vor der Tür stehen zu haben. Man schaut sich auch gern an, was man kauft. Schließlich will man das gute Gefühl und die Geschichte, die hinter dem Produkt steckt, gleich mitkaufen. Direktvermarkter müssen sich – neben der Produktion – vor allem um die Vermarktung kümmern, wissen Terbu und Mohimi. Meistens scheitert es schon an der eigenen Website.

"Das Produkt muss natürlich stimmen, das Marketing und der Außenauftritt sind aber mindestens genauso wichtig. Eine ansprechende Website, ein übersichtlicher Web-Shop und ein tolles Logo sind das Um und Auf. Kunden wollen vorher sehen, was sie kaufen. Produzenten, die besser kommunizieren, sind ganz klar im Vorteil", ist Terbu überzeugt. Auch die Marke "Gutes vom Bauernhof" soll Bauern bei der Vermarkung ihrer Produkte unterstützen. Doch wer sich das Gütesiegel auf sein Fleisch oder seinen Käse kleben will, der muss einige Kriterien erfüllen. "Man muss den eigenen Rohstoff haben, das Produkt selbst verarbeiten und sich ständig fortbilden. Auch Marketing ist ein Thema, und natürlich muss die Qualität der Produkte stimmen", sagt Jochum.

Kühe zum Anfassen

Bei Bernadette und Hannes Schabbauers Annahof in Laab im Walde, am Rande von Wien, stimmt die Qualität offenbar, tragen sie doch auch das Gütesiegel der Landwirtschaftskammer. Das Ehepaar betreibt einen gut bestückten Hofladen mit allerlei Bioprodukten aus eigener Landwirtschaft und Partnerbetrieben. Die Schabbauers haben aus dem kleinen Bauernhof der Barmherzigen Schwestern, dessen Kloster gleich nebenan liegt, einen landwirtschaftlichen Vorzeigebetrieb gemacht. Unter dem Motto "Wir haben nichts zu verstecken" zeigen sie gerne her, was sie haben, und lassen Kunden auch hinter die Stalltür schauen.

Bernadette und Hans Schabbauer betreiben in Laab im Walde einen Hofladen.
Foto: Alex Stranig

"Der Standort kommt uns sehr zugute. Wir sind sehr nahe an Wien, und es ist trotzdem sehr ländlich", sagt Schabbauer, der den Hof vor zehn Jahren von den Ordensschwestern gepachtet hat. Viele Kunden wollen schließlich der Stadt entfliehen und zumindest kurz Landluft inhalieren – bequem darf es aber schon sein. "Man muss mit seinen Produkten sehr breit aufgestellt sein. Deshalb bieten wir auch immer wieder Biofisch an, den wir von einem Partnerbetrieb beziehen. Sich nur auf ein Produkt, wie zum Beispiel Schweinefleisch, zu konzentrieren wäre zu wenig", ist der Biobauer überzeugt.

"Die Vorstellung, die Bäuerin verkauft nebenbei ein paar Eier, während der Mann im Stall die Kühe melkt, ist leider ein bisschen verklärt."

Dass viele Kunden eine romantische Vorstellung von einem Bauernhof haben, weiß auch die Gattin: "Ein großer Irrglaube ist, dass das Betreiben eines Hofladens das Hobby der Ehefrau ist. Die Vorstellung, die Bäuerin verkauft nebenbei ein paar Eier, während der Mann im Stall die Kühe melkt, ist leider ein bisschen verklärt."

Dass der Annahof keine Liebhaberei, sondern ein professioneller Landwirtschaftsbetrieb ist, merkt man nicht nur an der Größe und der Anzahl der Mitarbeiter, sondern am Gesamtauftritt, der äußerst professionell daherkommt. Damit setzen die Schabbauers das um, was viele Produzenten und Direktvermarkter leider oft vernachlässigen – eine Marke zu kreieren und eine Geschichte zu erzählen, wie es in der Werbebranche so salopp heißt. Man darf sich aber auch ruhig mal zu einem Produzenten oder in einen Ab-Hof-Laden trauen – die Chance, keinen zu finden, ist bei uns eher gering. (Alex Stranig, Rondo, 31.7.2015)