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Präsident Erdogan will den "Kampf gegen den Terrorismus" fortführten.

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Ankara – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Friedensprozess mit den Kurden aufgekündigt. Es sei unmöglich, diesen Weg mit denjenigen fortzusetzen, die die nationale Einheit gefährdeten, sagte der Staatschef am Dienstag vor Journalisten in Ankara. Er forderte das Parlament auf, die Immunität von Politikern mit Verbindungen zu "terroristischen Gruppen" aufzuheben.

Außerdem erklärte er, dass eine "Sicherheitszone" in Nordsyrien den Weg für die Rückkehr von 1,7 Millionen in der Türkei lebenden syrischen Flüchtlingen ermöglichen könne. Von der Nato erwartet Erdoğan Unterstützung für seinen Anti-Terror-Kampf.

Die Türkei fliegt seit einigen Tagen Luftangriffe gegen Stellungen der jihadistischen Organisation "Islamischer Staat" (IS) in Syrien und der in dem Land verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Nordirak. Anlass sind mehrere tödliche Anschläge im von Kurden bewohnten Südosten der Türkei, für die der IS und die verbotene Arbeiterpartei PKK verantwortlich gemacht werden.

Nato-Treffen in Brüssel

Auf Antrag der Türkei kamen am Dienstag in Brüssel die Botschafter der 28 Nato-Staaten zusammen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sicherte der Türkei angesichts der Bedrohung durch den IS die "starke Solidarität" des Bündnisses zu. "Terrorismus in jeglicher Form kann nicht toleriert oder gerechtfertigt werden", sagte der Nato-Generalsekretär.

"Die Türkei hat nicht um zusätzliche militärische Nato-Präsenz in der Türkei gebeten", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach dem Sondertreffen. Er verwies dabei darauf, dass die Türkei über "sehr fähige Streitkräfte" verfüge. "Das ist die zweitgrößte Armee in der Allianz", erklärte Stoltenberg.

Ankara hat Beratungen nach Artikel 4 des Nato-Vertrags verlangt. Dieser Artikel sieht Konsultationen vor, wenn ein Nato-Mitglied meint, dass die Unversehrtheit des eigenen Territoriums, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht ist. Anlass für das Treffen ist nach Nato-Angaben der Ernst der Lage in der Türkei nach den Terrorangriffen der vergangenen Tage. Dabei sind Dutzende zu Tode gekommen. Es gab auch Gefechte mit IS-Kämpfern an der syrisch-türkischen Grenze.

Deutsche "Patriot"-Abwehrraketen bleiben

Die türkischen Luftschläge im Irak und in Syrien haben zunächst keinen Einfluss auf den Einsatz der deutschen Bundeswehr im Süden der Türkei. Die Aufgabe der deutschen "Patriot"-Raketenabwehrstaffeln dort sei es, die Region um die Stadt Kahramanmaraş vor Angriffen aus Syrien zu schützen, sagte Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Montagabend bei einem Besuch in Mali. "Diese Aufgabe bleibt bestehen." Die Soldaten seien auch weit genug vom Zielort der Luftangriffe entfernt.

"Die Türkei sollte sich endlich für eine einheitliche Strategie entscheiden und nicht gleichzeitig den Islamischen Staat und dessen Gegner bekämpfen", sagte der deutsche Politiker Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, der "Welt". Er forderte eine diplomatische Offensive von EU, USA und der Türkei im Nahen Osten, um die Kämpfe zu beenden. "Die Türkei war zuletzt Rückzugsort und Transferland von Kämpfern des Islamischen Staats", sagte Brok. Die türkische Regierung müsse erkennen, dass der IS ihr Hauptfeind sei.

Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat zugleich die Fortsetzung des Friedensprozesses in der Türkei mit den Kurden gefordert. Auf Twitter sagte Kurz, die jüngsten Terroranschläge in der Türkei seien "inakzeptabel". Die Anstrengungen Ankaras im Kampf gegen den IS seien "wichtig. Aber der Friedensprozess mit den Kurden muss fortgesetzt werden", betonte der Außenminister.

Mitglied der Gendarmerie getötet

Nach einem Anschlag in der osttürkischen Provinz Mus erlag ein Mitglied der türkischen Gendarmerie seinen schweren Verletzungen. "Terroristen" hätten das Auto des Mannes am Montagabend beschossen, berichtete die Nachrichtenagentur DHA unter Berufung auf den Provinzgouverneur. Im Wagen hätten sich auch die Ehefrau und die Tochter des Opfers befunden. Die Frau sei leicht verletzt worden. Die Familie sei auf dem Rückweg von einem Besuch bei Freunden gewesen. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag.

Ebenfalls im Osten der Türkei ist eine Gaspipeline durch eine Explosion beschädigt worden. Die Explosion in der Grenzprovinz Agri habe in der Nacht auf Dienstag ein Feuer an der Pipeline aus dem Nachbarland Iran ausgelöst, teilte Energieminister Taner Yıldız mit. Der Brand habe aber schnell gelöscht werden können. Nach einer Reparatur könne wieder Gas durch die Pipeline fließen. In türkischen Medienberichten war von Sabotage die Rede, für die die PKK verantwortlich gemacht wurde. Zunächst bekannte sich jedoch niemand zu dem Vorfall.

UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zeigte sich indes besorgt über die türkischen Luftangriffe auf die PKK. Er hofft auf eine sofortige Rückkehr zu konstruktivem Dialog, so dass eine friedliche Lösung gefunden werden könne, wie er in einer Mitteilung der Vereinten Nationen in New York am Montag erklärte. Der UN-Generalsekretär rief alle Beteiligten dazu auf, nicht zurückzukehren zu einem "tödlichen Konflikt, der den Menschen in der Türkei in der Vergangenheit schon so viel Leid zugefügt hat". (APA, 27.7.2015)