Wien – Seit kurzem sind Physiker im aufgerüsteten Beschleuniger "Large Hadron Collider" (LHC) am europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf wieder auf der Jagd nach Elementarteilchen. Zwar laufen diese Kollisionen nunmehr auf höherem Energieniveau ab als zuvor, dennoch hält sich ein spezielles Teilchen, dessen Entdeckung im Juli 2012 für weltweites Aufsehen sorgte, vorerst noch im Verborgenen: Das Higgs-Boson ist in den Daten der Forscher überraschenderweise noch nicht aufgetaucht. CERN-Generaldirektor Rolf-Dieter Heuer glaubt jedoch, dass das nicht lange so bleibt.

"Wir sind sicher, dass wir es wieder finden", gab sich Heuer am Montag bei einer Pressekonferenz anlässlich der derzeit in Wien stattfindenden weltgrößten Teilchenphysik-Konferenz, der "European Physical Society Conference on High Energy Physics" (EPS-HEP2015), optimistisch. Das für das Standardmodell der Teilchenphysik extrem bedeutsame Higgs-Boson verleiht allen anderen Partikeln Masse. Für seine Vorhersage erhielten Peter Higgs und Francois Englert 2013 den Physik-Nobelpreis.

Der Nachweis am LHC erfolgte bei einer Kollisionsenergie von acht Teraelektronenvolt (TeV). Nach dem Neustart vor wenigen Monaten erreicht die größte Maschine der Welt nun 13 TeV. Für diese Aufrüstung war der LHC zwei Jahre lang außer Betrieb. Es stelle sich nun die Frage, ob das Standardmodell auch auf diesem Energie-Level gültig ist, so Heuer. Daher sind die Physiker momentan wieder auf der Suche nach den verschiedenen Elementarteilchen, die laut diesem Standardmodell die Welt aufbauen.

Alte Bekannte und neue Entdeckungen

Tatsächlich habe man auch fast alles bereits bei der höheren Energie wieder gefunden, und noch mehr: So gelang vor kurzem der erstmalige Nachweis sogenannter Pentaquark-Teilchen. Diese aus vier Quarks und einem Antiquark bestehenden Teilchen sind eine Form von Bestandteilen der Materie, die bisher nur in theoretischen Modellen der Teilchenphysik beschrieben wurden.

Man stehe momentan am Anfang der neuen Lebensphase des LHC und vieles sei noch offen. Dass sich das Higgs-Teilchen dauerhaft einer erneuten Beobachtung entzieht, glaubt der CERN-Generaldirektor nicht. Im Gegenteil: Man könne sich vermutlich auf noch mehr gefasst machen. Einen Ausblick darauf, wann man etwas Neues finden könnte, wagte Heuer jedoch nicht: "Dass man so etwas nicht sagen kann, ist ja das Schöne an der Grundlagenforschung." Doch selbst wenn kein neues Teilchen auftaucht, sei der Erkenntnisgewinn vermutlich groß.

Die ersten Datenberge, die bei den Kollisionen am LHC entstehen, sind auch eines der großen Themen der Wiener Konferenz, die von der Akademie der Wissenschaften (ÖAW), der Universität Wien und der Technischen Universität (TU) Wien veranstaltet wird und noch bis Mittwoch (29. Juli) läuft. An der Veranstaltung nehmen etwa 750 Forscher teil. (APA/red, 27.7.2015)