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Fast in ganz Europa (im Bild ein Windpark in Norddeutschland) hat die Produktion von Ökostrom zugenommen – nicht überall am richtigen Ort.

Foto: AP/Martin Meissner

Wien – Der Geldregen, der in den vergangenen Jahren bis auf wenige Ausnahmen auf nahezu die gesamte Ökostrombranche Europas niedergeprasselt ist, könnte deutlich nachlassen. Nicht was die schon angemeldeten und in Betrieb befindlichen Anlagen betrifft, deren Betreibern in der Regel fixe Einspeisetarife auf meist zwölf oder 13 Jahre zugesagt wurden. Geht es nach dem Willen der EU-Kommission und der meisten Regulatoren, sollen künftig aber Neuanlagen mit deutlich weniger Geld auskommen und besser in den Markt eingebunden werden.

Während Umweltverbände und Ökostromproduzenten vor einer Veränderung der Rahmenbedingungen warnen und eine Stagnation beim weiteren Ausbau der Stromproduktion aus Wind und Sonne vorhersagen, gehört Österreichs Energieregulator Walter Boltz zu den massivsten Befürwortern: "Entweder wir kehren zurück zur Planwirtschaft, was, glaube ich, keiner will – oder wir ändern die Spielregeln," sagte Boltz im STANDARD-Gespräch.

Belastung für Energiesystem

Erneuerbare Energien seien unter den gegebenen Umständen schon jetzt eine Belastung für das Energiesystem und würden das mit fortschreitendem Ausbau noch mehr sein. Grund sei die Abschottung der Erneuerbaren von den Marktmechanismen. "Wenn ein Kohlekraftwerk in Frankreich billiger ist als in Deutschland, dann läuft das in Frankreich und nicht das in Deutschland. Wenn ein Windrad in Deutschland billiger ist als in Frankreich, laufen beide. Und zwar systematisch und immer", sagte Boltz. Dies deshalb, weil es Geld für jede produzierte Kilowattstunde (kWh) gibt, egal ob diese benötigt wird oder nicht.

In Brüssel habe man erkannt, dass der Strommarkt dringend reformiert werden muss, um einen Kollaps zu vermeiden. Zu gewissen Zeiten, typischerweise an Wochenenden um die Mittagszeit, wenn die Sonne hoch steht, der Wind weht und die Industrie kaum Strom nachfragt, arbeiten die Netze an der Belastungsgrenze. Wenn Preissignale auch für erneuerbaren Energien relevant wären, sähe die Situation anders aus.

Negative Preise

"Müssten Betreiber von Windanlagen und Solarparks in Zeiten von Überangebot wie andere Erzeuger auch negative Preise (faktisch eine Strafzahlung für das Einspeisen von Strom; Anm,) zahlen, würden sie bis zur Änderung der Preissituation die Anlage wohl vom Netz nehmen," ist der Energieregulator überzeugt. Dass man sich durch die zunehmend dezentrale Erzeugung mittels Solaranlagen auf dem Dach den Netzausbau erspare, sei aber eine Illusion.

"Erzeugung und Verbrauch sind nicht synchron. Es gibt immer Viertelstunden, wo der Verbrauch auf Ebene der Privatkunden nahe null beträgt und die Erzeugung schon da ist. Der Strom muss dann abtransportiert werden." Bis entsprechend dimensionierte Speicher zu vertretbaren Kosten auf dem Markt seien, würden wahrscheinlich noch zehn bis 15 Jahre vergehen.

Regulator Boltz favorisiert Investitionsförderung

Die EU-Kommission, die Mitte Juli Vorschläge für ein neues Marktdesign für stärker integrierte Strommärkte präsentiert hat, holt bis Oktober Tipps für die passende Herangehensweise ein. Boltz, der als Vizepräsident der Acer auch eine gewichtige Stimme im Verband der europäischen Regulatoren hat, plädiert für einen Wechsel von Einspeisetarifen hin zu einer Investitionsförderung, die am besten ausgeschrieben und an den Günstigsten vergeben werden soll. Österreich sollte mit Änderungen des Ökostromgesetzes zumindest bis Frühjahr oder Sommer nächsten Jahres warten. Dann könne man abschätzen, in welche Richtung die Kommissionsvorschläge gehen.

Klar sei jedenfalls, dass das Ökostromgesetz in seiner derzeitigen Form von Brüssel aus beihilfenrechtlichen Gründen nicht mehr genehmigt werden würde. 2016 gibt es in Österreich einen ersten größeren Schwung an Erzeugungsanlagen, die aus der Förderung fallen – mit dabei auch Biogas- und Biomasseanlagen der ersten Generation mit geringer Effizienz, die sich wirtschaftlich kaum rechnen. (Günther Strobl, 27.7.2015)