Mit Live-Band eröffnete Elektronikjazzer Dorian Concept das Wiener Popfest.

Foto: Simon Brugner / Theyshootmusic.com

Wien – Das Popfest Wien, das am Donnerstag rund um den Karlsplatz in seiner heuer sechsten Ausgabe eröffnet wurde, kann man natürlich gut finden. Es besteht hier für lokale Bands und Künstler jährlich die Chance, vor mehreren tausend Laufkundschaften einen größeren Bekanntheitsgrad zu erlangen.

Immerhin ist das Popfest ein von der Stadt Wien finanziertes Gratisfestival. Sehr gern speziell auch in einem Wahljahr soll es neben dem Donaukanaltreiben oder heuer einer weiteren Gratisfestivalerfindung wie dem Electric Spring im Museumsquartier oder der großen proletarischen Erbtante auf der Donauinsel beweisen, wie kräftig und vielfältig junge Leute in der Stadt tolle Popmusik zu machen imstande sind.

So drängen sich dann am Donnerstag vor der Open-Air-Bühne auf dem Karlsplatz viel zu viele Leute auf viel zu wenig Platz vor einer viel zu leisen Anlage. Ruhe ist in einer Großstadt schließlich oberste Bürgerpflicht. Wer es laut haben will, soll aufs Land ziehen. Man kann tolle und auch schon außerhalb Wiens bis hinüber ins Ausland bekannte Acts wie das tatsächlich auf Instrumenten aus Gemüse spielende Vegetable Orchestra, die Wienerlied-Erneuerer 5/8erl in Ehr'n oder den jazzigen Elektronikfrickler Dorian Concept bejubeln. Man kann die Musik ab 20 Meter von der Bühne entfernt aber auch komplett ignorieren. Stichwort: Bobos, die auf Handys starren. Später werden in der Technischen Universität Bands wie die fetzigen Jazzer Kompost 3 oder im Wien-Museum Acts wie der Elektro-Guzzi-Ableger Monochord ein geneigteres Publikum finden, das sogar zuhört.

Modernere elektronische Ansätze

Kuratiert wurde das heurige Programm übrigens von der Technokünstlerin Susanne Kirchmayr alias Electric Indigo sowie vom FM4-Hip-Hop-Experten Stefan Trischler, was der früheren Vorliebe des Popfests für am elektrischen Lagerfeuer sitzende Katholische-Jungscharlager-Bands etwas an Boden genommen hat. Profitiert haben dadurch modernere elektronische Ansätze – und der Anteil musizierender Frauen wurde drastisch von früher nicht so atemberaubend 2015 in die Nähe von 50 Prozent katapultiert.

Dass sich die Katze allerdings in den Schwanz beißt, davon wissen vor allem kommerzielle Wiener Konzertveranstalter in Clubs wie dem Fluc, Chelsea oder Rhiz, aber auch die Musiker selbst zu berichten. Wenn heimische Bands dauernd gratis auf irgendwelchen Bühnen herumstehen, ist niemand mehr bereit, Eintritt zu bezahlen. Leere Säle bei Acts, die beim Popfest von den Massen bejubelt wurden, sind eine Tatsache. (Christian Schachinger, 24.7.2015)