Das Grottenbad Paul Flora, errichtet 1969/1970 vom Innsbrucker Architekten Josef Lackner.

Foto: Nikolaus Schletterer

Es gilt laut Experten und Weggefährten Lackners als eines der außergewöhnlichsten Bauwerke der Tiroler Moderne.

Foto: Günter Richard Wett

Trotz seiner Größe von nur 35 Quadratmetern.

Foto: Günter Richard Wett

Zwei Haken an der Wand, zwei Schnüre, zwei Wäscheklammern, eine gelb und eine rot, an einer der beiden hängt sie noch, die dunkelblaue Badehaube von Paul Flora. Das Bild dieses gummigen, formlosen Lebensschattens des vielleicht berühmtesten Zeichners und Karikaturisten Tirols ist so berührend wie befremdlich. Seit seinem Tod vor sechs Jahren, 2009 war das, wurde kein Finger daran gerührt. Etwas Staub über allem, ein paar Spinnweben im Eck, das Wasser aus dem Becken längst ausgelassen.

Das Grottenbad Paul Flora, errichtet 1969/1970 vom Innsbrucker Architekten Josef Lackner, gilt laut Experten und Weggefährten Lackners als eines der außergewöhnlichsten Bauwerke der Tiroler Moderne. Trotz seiner winzigen Größe von nur 35 Quadratmetern wirkt das Bad riesig. Aufgrund der geschwungenen, sich schneckenhausgleich fortbewegenden Wände sieht man nie das Ende des Beckens. Die sieben Lichtkuppeln in der Decke machen das Raumerlebnis grenzenlos. Beim langsamen Treiben auf der Wasseroberfläche konnte der Zeichner Auszeit von seinen Rückenschmerzen nehmen und in den Himmel, in die Baumkronen, ja sogar bis zur Nordkette hochblicken.

Schwimmbad-Amöbe

"Ein Hallenbad ... und ich konnte mir nicht vorstellen, wie das an ein höchst uninteressantes Einfamilienhaus anzubinden und zu integrieren sei", schreibt Paul Flora in einem Nachruf auf seinen Freund Josef Lackner. "Er löste das Problem sehr ingeniös und schuf ein kleines poetisches Bauwerk, das das Entsetzen des zuständigen Beamten erregte." Allein, der Baubescheid der Behörde fiel positiv aus, wenn auch mit einer Randnotiz: "Das Bauwerk sei so mit Büschen zu umpflanzen, dass es von der Straße aus nicht zu sehen sei."

Gesagt, getan. Der Architekt packte die runde, weiche Schwimmbad-Amöbe in eine Struktur aus terrassierten Betonschalsteinen und nutzte diese als Blumenkiste und Rankgerüst für Grünzeug aller Art. Eine Symbiose aus Pragmatik und Poesie mit Low-Tech und ohne großes Brimborium rundherum. Oder, wie Friedrich Achleitner in seinem Führer Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert schreibt: "Wenn Architektur eine Bereicherung sein soll, dann ist das hier auf kleinstem Raum und in einer befreiten, im doppelten Sinn des Wortes erfrischenden Weise geschehen."

Mit der Frische könnte es bald vorbei sein. Nach einigen Jahren im Dornröschenschlaf, ist um die Zukunft des Paul-Flora-Bades eine heftige, tirolweite Diskussion entstanden. Die einen sprechen davon, das Bad abzureißen und Platz für neue, dringend benötigte und auch gewiss lukrative Wohnungen zu bauen. Die anderen bemühen sich um eine Erhaltung des technisch angeschlagenen und längst sanierungsbedürftigen Kleinods.

Räumliche Qualität

Bettina Schlorhaufer, Kunsthistorikerin und Professorin für Architekturgeschichte an der Universität Innsbruck, und Architekt Rainer Köberl arbeiten derzeit an einem Gutachten, wie mit dem vielfach bejubelten Hallenbad in Zukunft umzugehen sei. Die Studie liegt dem Standard in Teilen vor und soll bis Ende des Sommers abgeschlossen sein. Zeitgleich wird im Bundesdenkmalamt (BDA), Landeskonservatorat für Tirol, eine Unterschutzstellung geprüft. Zum laufenden Verfahren darf sich das BDA nicht äußern.

"Dieses Grundstück auf der Hungerburg ist eine wertvolle Insel mit vielen bedeutenden Baudenkmälern", sagt Schlorhaufer im Gespräch mit dem Standard. "Das Bad von Paul Flora nimmt darin eine wichtige Rolle ein. Auch wenn es nicht viel größer als eine Badewanne oder ein Super-Whirlpool ist, wurden hier dennoch räumliche Qualitäten geschaffen, die bei vielen anderen Bädern, die in Tirol um 1970 entstanden waren, nicht zu finden sind." Dazu gehöre, so Schlorhaufer, vor allem der ambivalente Umgang mit Licht und Weite und zugleich größtmöglicher Intimität.

Ein Erhalt der Bausubstanz ist durchaus realistisch, zumal der aktuelle Grundstückseigentümer, Architekt Fritz Schwaighofer, seinen im März eingebrachten Antrag auf Abbruch des Gebäudes in der Zwischenzeit wieder zurückgezogen hat. Rückenwind könnten die Befürworter des Bades von der Tiroler Bauordnung (TBO) bekommen. Der noch nie zuvor angewandte Paragraf 42, Absatz 3, TBO 2011, besagt nämlich, dass der Abbruch eines Gebäudes unzulässig sei, wenn dessen Instandhaltung oder Instandsetzung wirtschaftlich vertretbar sei und an der Erhaltung ein "besonderes landeskulturelle Interesse" bestehe.

"Hier haben zwei bedeutende Persönlichkeiten an einer Sache gearbeitet", meint Köberl. "So gesehen ist hier durchaus ein kulturhistorisch wichtiger Ort entstanden, ohne den Innsbruck eine Lücke erleiden würde. Abgesehen davon würde ein schöner, in seiner Art einzigartiger Bau verlorengehen. Ich würde mir wünschen, dass die Stadt Innsbruck erkennt, welch großes Potenzial dieses Grundstück mit diesem Bad bietet – etwa als Stadtteilzentrum, als Kindergarten, als therapeutische Arztpraxis."

Schuppiges Gürteltier

Auf jeden Fall, kommt der Gutachter zum Schluss, mache die Erhaltung des "schuppigen Gürteltiers" (Köberl) nur dann Sinn, wenn es wieder seiner ursprünglichen Nutzung zugeführt würde: "Erst mit dem Wasser wird der Himmel erlebbar. Erst mit dem Wasser entstehen all die Lichtspiele und Reflexionen, die dieses Bauwerk so besonders machen. Einen Erhalt ohne Wasser erachte ich nicht für sinnvoll."

Wie auch immer die Debatte zwischen Initiatoren, Behörden, Grundstückseigentümer und Stadt Innsbruck ausgehen wird: Fakt ist, dass das Grottenbad Paul Flora eine Denkmaldiskussion auslöst, die in Österreich längst überfällig ist. Allmählich wird man sich der Werte der Bausubstanz aus den Sechziger- und Siebzigerjahren gewahr. Der Begriff Denkmalschutz gehört dringend neu definiert und um neue wissenschaftliche Forschungsfelder ausgeweitet – auf jene Bauten, vor denen ganze Generationen ob der geringen zeitlichen Distanz immer noch schauderhaft wegzublicken gewohnt sind.

Vor allem aber mangelt es an einer vielfältigen, interdisziplinären Diskussionskultur, die imstande ist, so unterschiedliche und mitunter einander widersprechende Faktoren wie Denkmal- und Ensembleschutz, Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten und nicht zuletzt die wirtschaftlichen Interessen der Eigentümer unter einen Hut zu bringen.

Herausforderungen des Projekts

"Bei diesem Bau geht es nicht so sehr um die Frage Denkmalschutz ja oder nein", sagt Arno Ritter, Leiter des Innsbrucker Hauses architektur und tirol (aut) und einer der Unterstützer der Initiative für die Erhaltung des Bades, "sondern vor allem um die Tatsache, dass man für das Bauwerk eine angemessene, zeitgemäße und auch wirtschaftlich vertretbare Lösung finden muss. Das wird die mit Abstand größte Herausforderung dieses Projekts sein."

Die Diskussion ist im Gange. Die kommenden Monate werden weisen, was mit der blauen Badehaube passieren wird. Paul Flora hätte mit dieser Geschichte seine Freude. Man sieht die Zeichnungen förmlich vor Augen. (Wojciech Czaja, 25.7.2015)