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Egal, ob es sich um die streitbare Umweltministerin Ségolène Royal handelt, ...

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... um den sehr smarten Finanzminister Michel Sapin, ...

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... um den bisweilen glücklos agierenden Staatspräsidenten François Hollande ...


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... oder um Topfunktionär Jean-Pierre Jouyet: Sie alle sind Absolventen der Ecole Nationale d'Administration von 1980.

Kürzlich ernannte der französische Präsident François Hollande einen neuen Stadtpräfekten für Paris. Der strategisch-wichtige Posten ging an Michel Cadot, der Hollandes Wege schon 1980 gekreuzt hatte: Damals besuchten beide die Ecole Nationale d'Administration (ENA). Solche Seilschaften vergisst man auch nach 35 Jahren nicht.

1980 war überhaupt ein guter Jahrgang. Weniger für den Bordeaux-Wein, eher für die Pariser Eliten. Kaum ein Jahrgang ergab so reiche Ernte wie die sogenannte Promotion Voltaire jenes Jahres. Ihr entstammen mehr Staatsdienerinnen und -diener, als es bisher jemals in die höchsten Sphären des französischen Staates geschafft haben. Und das will etwas heißen: An ihren beiden Zentren in Straßburg und Paris produziert die ENA jedes Jahr 80 Sprösslinge: Funktionäre, Berater, Spitzenbeamte, Kabinettsvertreter und Staatsfirmenchefs. Ihr entstammen auch Dutzende Minister, sieben Premierminister sowie drei Staatspräsidenten: Valéry Giscard d'Estaing, Jacques Chirac und eben Hollande.

Jahrgangskollegen

In Hollandes Jahrgang war auch seine ehemalige Lebenspartnerin Ségolène Royal, die später Mutter seiner vier Kinder werden sollte. Auch wenn sie längst privat getrennt leben, holte Hollande 2014 die ehemalige Präsidentschaftskandidatin wieder als Umweltministerin in seine Regierung.

Noch wichtiger ist in der aktuellen Regierung Finanzminister Michel Sapin, auch er aus dem ominösen Voltaire-Jahrgang. Und als "Voltairien" Pierre-René Lemas aus privaten Gründen als Generalsekretär des Elysée-Palastes ging, bestimmte Hollande als Nachfolger einen weiteren Jahrgangskollegen: Jean-Pierre Jouyet, der schon unter der Rechten von Nicolas Sarkozy als Europa-Staatssekretär gedient hatte. Nach einem Interregnum als Chef der Pariser Finanzmarktaufsicht stellte sich Jouyet aber nahtlos in den Dienst der Linken.

Und dann war da noch Sylvie Hubac, bis Dezember 2014 Hollandes Kabinettschefin. Und mit Michel Cadot ist jetzt auch der Pariser Polizeipräfekt ein Voltairien. Viele Pariser Medien ätzen über Hollandes "Clique" und "Schattenkabinett"; andere ärgern sich über die "auswechselbaren Technokraten", die so "konformistisch" seien, dass sie genauso gut unter der Rechten wie unter der Linken dienen können.

Harsche Kritik an "Enarchen"

Diese Kritik ist nicht neu: Schon der Soziologe Pierre Bourdieu (1930- 2002) war immer wieder über die identitätslose Ideologie der "Enarchen" hergezogen.

Michèle Pappalardo kennt die Verhältnisse in dieser von Charles de Gaulle 1945 gegründeten Schmiede aus dem Inneren, da sie selbst ENA-Jurorin war – und mokiert sich in einem Buch über die "Windschnittigkeit" der 1600 ENA-Kandidaten und 80 Absolventen pro Jahr: Diese gelobten, schreibt sie, zwar allesamt das System zu erneuern, erwiesen sich aber im besten Fall als "Sandkistenrebellen".

Sarkozy war selbst kein Enarch und versprach auch mehrfach, die ENA zu reformieren, bloß: den Plan verwirklichte er nie. Nicht nur, weil die Widerstände zu groß gewesen wären: In Paris ist es schlicht unmöglich, eine Regierung ohne ENA-Absolventen zusammenzustellen.

Sie sind ganz einfach überall, und unter Hollande mehr denn je. "Sein" Jahrgang 1980 profitierte davon, dass ein Jahr später die Sozialisten unter François Mitterrand erstmals in den Elysée-Palast einzogen. Viele ENA-Absolventen wurden so über Nacht in höchste Beraterpositionen katapultiert. Und seither ziehen sie ihre ehemaligen Klassenkameraden nach.

So dürfte die Kontinuität gewährleistet bleiben. Ob Wind oder Sturm, linker oder rechter Wahlsieg: Die "Enarchie" wacht darüber, dass die Pariser Elite – das heißt: sie selbst – den gewaltigen Staatsapparat kontrolliert. (Stefan Brändle aus Paris, 24.7.2015)