Das deutsche Auswärtige Amt hat die US-Regierung aufgefordert, die jüngsten Spähvorwürfe in Bezug auf den US-Geheimdienst NSA "dringend" aufzuklären. Seien die Berichte über ein Ausspionieren des Außenministeriums wahr, dann "wäre das natürlich völlig inakzeptables Ausspähen von Partnern", sagte der Sprecher von Außenminister Frank-Walter Steinmeier am Mittwoch in Berlin.

Außenstaatssekretär Stephan Steinlein telefonierte demnach am Dienstag mit dem US-Botschafter in Deutschland John B. Emerson wegen der Affäre.

Wikileaks

Die Enthüllungsplattform Wikileaks hatte am Montag erneut Dokumente veröffentlicht, die Spionage derNSA gegen die deutsche Regierung belegen sollen. Demnach wurde auch Steinmeier Ziel des US-Geheimdienstes. Wikileaks dokumentierte ein Abhörprotokoll eines Gesprächs oder Telefonats Steinmeiers vom 29. November 2005.

Die Berichte seien vom Außenministerium "aufmerksam gelesen und zur Kenntnis genommen" worden, könnten aber nicht auf ihre Echtheit geprüft werden, sagte der Außenamtssprecher. Steinlein habe Emerson angerufen, ihn mit den Vorwürfen "konfrontiert und dringend darauf hingewirkt, dass wir dazu und zu allen anderen Fällen, die noch offen sind, die notwendige Aufklärung und Erläuterung von amerikanischer Seite bekommen".

Der Sprecher betonte aber auch, dass "wir in der Außenpolitik alles Interesse der Welt haben, mit den USA gut und gedeihlich und konstruktiv zusammenzuarbeiten". Kritiker werfen der Berliner Regierung vor, angesichts der Serie von Veröffentlichungen über mutmaßliche Spähaktionen der NSA gegen deutsche Regierungsvertreter nicht energisch genug gegenüber der Regierung in Washington aufzutreten.

"Sinnvolles Verhältnis"

Der Sprecher Steinmeiers äußerte Unverständnis über den Sinn solcher Spionageaktionen angesichts der engen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA. Er könne überhaupt nicht erkennen, in welchem "sinnvollen Verhältnis" die so gewonnenen Erkenntnisse "zu dem großen außenpolitischen Flurschaden stehen, der dadurch verursacht wird", sagte er.

Die neuen Unterlagen deuten der "Süddeutschen Zeitung" zufolge, die im Voraus Einsicht in die Dokumente hatte, auf einen jahrelangen Lauschangriff der NSA auf das Auswärtige Amt hin. Auf der Liste stünden insgesamt 20 Nummern – darunter auch mehrere Telefonnummern, welche die NSA Steinmeier zugerechnet habe. Möglicherweise stand auch Ex-Außenminister Joschka Fischer auf der Liste. In den vergangenen Wochen hatte Wikileaks bereits zahlreiche Spähziele der NSA in Kanzleramt und Bundesministerien veröffentlicht. Emerson wurde deswegen bereits Anfang Juli zu einem Gespräch ins deutsche Kanzleramt "eingeladen". (APA, 23.7. 2015)