Bild nicht mehr verfügbar.

Historische Umarmung in Belgrad: Der serbische Premier Aleksandar Vučić begrüßt den Chef der größten bosniakischen Partei SDA, Bakir Izetbegović, der auch im bosnischen Staatspräsidium sitzt.

Foto: APA/EPA/ANDREJ CUKIC

Nicht nur der rote Teppich wurde ausgerollt. Anlässlich des Besuchs des bosnischen Staatspräsidiums am Mittwoch in Belgrad umarmte der serbische Regierungschef Aleksandar Vučić alle drei Politiker, den Serben Mladen Ivanić, den Kroaten Dragan Čović und den Bosniaken Bakir Izetbegović. Die freundschaftliche Geste war angesichts der jüngsten Spannungen zwischen den Nachbarstaaten geradezu erleichternd.

"Ich glaube, wir haben einen neuen Abschnitt unserer gemeinsamen Zukunft eröffnet", sagte Vučić. Die Politiker sprachen über gemeinsame Wirtschaftsprojekte und vereinbarten, eine gemeinsame Sitzung der bosnischen und der serbischen Regierung im September abzuhalten.

Eine ungewöhnliche Konstellation

Der Besuch der Bosnier ist in mehrerlei Hinsicht bemerkenswert. Erstens reisten alle drei Mitglieder des Präsidiums an – ein Novum. Zweitens war der Besuch ziemlich schnell organisiert worden, um die Gemüter zu beruhigen. Und drittens wurden die Staatsgäste nicht von ihrem serbischen Pendant, Präsident Tomislav Nikolić, empfangen, wie dies eigentlich sein müsste, sondern eben von Premier Vučić.

Die ungewöhnliche Konstellation hat ihre Gründe. Nikolić ist in Bosnien-Herzegowina sehr umstritten. Der Ex-Tschetnik – der, obwohl er aus Serbien kommt, im Bosnienkrieg gekämpft hat – wurde kürzlich von Izetbegović aufgefordert, nicht zum Staatsbesuch nach Sarajevo zu kommen.

Denn Nikolić hatte im Vorfeld des Srebrenica-Gedenkens den Genozid an den Bosniaken nicht nur geleugnet, sondern auch alles darangesetzt, dass eine UN-Resolution zu Srebrenica mit der Hilfe Russlands verhindert wurde. Zusätzlich war der bosniakische Kommandant von Srebrenica, Naser Orić, aufgrund eines serbischen Haftbefehls festgenommen worden.

Genozid-Leugnung

All dies hatte in Bosnien-Herzegowina für viel Unmut gesorgt. Vor allem die Überlebenden des Völkermords sehen in der beständigen Leugnung, Verharmlosung und Relativierung des Verbrechens seitens serbischer Politiker Zynismus und Verhöhnung der Opfer sowie eine Fortsetzung der nationalistischen Politik.

Für Irritationen zwischen den Nachbarstaaten hatte auch gesorgt, dass Vučić, der zu der Gedenkveranstaltung in Srebrenica am 11. Juli gekommen war, dort mit Steinen, Flaschen und Schuhen attackiert worden war. In der Zwischenzeit wurden übrigens vier Verdächtige aus der Stadt Tesanj verhört, die Vučić angegriffen haben sollen. Die bosnische Präsidentschaft und die Firma, die für die Sicherheit in Srebrenica zuständig war, entschuldigten sich bei dem Premier.

Dodik zurückgepfiffen

Zudem wurde ein Bericht über die Gedenkveranstaltung im bosnischen Parlament diskutiert, der zahlreiche Mängel bei den Sicherheitsmaßnahmen in Srebrenica aufzeigte. Vučić selbst meinte, dass er keine Strafverfolgung der Angreifer anstrebe. "Möge Gott ihnen vergeben", sagte er und meinte, dass der Angriff zwar unangenehm war, aber "nichts im Vergleich zu dem", was jenen Serben, Kroaten und Bosniaken passiert sei, die ihre Lieben im Krieg verloren hätten. Vučićs Besuch in Srebrenica hatte in Bosnien für Kritik gesorgt, weil auch er früher ein Ultranationalist war. Manche Bosnier denken zudem, dass er nun nach Srebrenica kam, um zu provozieren.

Als positiv wird in Sarajevo hingegen seine Rolle gesehen, wenn es um die Politik des Präsidenten der bosnischen Republika Srpska (RS), Milorad Dodik, geht. Dodik hat nach einer Intervention von Vučić vergangene Woche sein Ansinnen aufgegeben, ein Referendum über die gesamtstaatlichen Justizinstitutionen abzuhalten. Der Nationalist tritt seit Jahren dafür ein, dass die RS sich von Bosnien-Herzegowina abspaltet, und droht mit Volksabstimmungen. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 22.7.2015)