Wer seinen Job einmal verloren hat, der ist im Alter von 50+ meist länger arbeitslos, findet erst später eine neue Arbeitsstelle. Viele müssen auch Abstriche beim Gehalt hinnehmen.

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Wien – Der von Arbeitgebern häufig beklagte Umstand, die Lohnkosten älterer Arbeitnehmer seien zu hoch, und damit verantwortlich für steigende Arbeitslosigkeit in der Generation 50+, stimmt so nicht. "Das Alter selbst ist das größte Hemmnis für Wiederbeschäftigung", sagt IHS-Experte Marcel Fink. Die Verengung der Debatte über Arbeitsmarktprobleme älterer Menschen auf höhere Löhne sei daher nicht sinnvoll. Vielmehr spielten andere Faktoren eine Rolle, etwa mangelnde Bereitschaft zu Weiterbildung bei Arbeitgebern und -nehmern.

"Ein Maurer gehörte eigentlich schon mit 40 oder 45 Jahren umgeschult, sonst ist es zu spät", bringt der Arbeitsmarktexperte des IHS, Helmut Hofer ein praktisches Beispiel. Mit 55, wenn jahrelange Schwerarbeit zu Abnützung und Krankheit geführt habe, seien Umschulungen nicht mehr sehr sinnvoll. Allerdings haben Arbeitgeber wie Arbeitnehmer "in den besten Jahren" kaum Interesse an Neuorientierung, sie würden dadurch einen gut qualifizierten Mitarbeiter verlieren. Hier handle man gesellschaftspolitisch myopisch, sagt Hofer, also kurzsichtig.

Bevölkerungsentwicklung

Dass die Arbeitslosigkeit bei Arbeitnehmern mit vielen Dienstjahren und damit langer Erfahrung auf dem Arbeitsmarkt stark zunehme, liege nicht so sehr am Senioritätsprinzip, also automatischen Lohn- und Gehaltssteigerungen je nach Betriebszugehörigkeit (Biennalsprünge, mehr Urlaub, etc.), sondern hänge vielmehr mit der Bevölkerungsentwicklung zusammen. Im Branchenvergleich gebe es keinen signifikanten Zusammenhang zwischen Senioritätsindex und der Arbeitslosenquote Älterer, betonte Fink bei der Präsentation der Studie im Beisein von Sozial- und Arbeitsminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ). "Es ist nicht so, dass stärkere Senioritätsregulierung zu starker Arbeitslosigkeit führt." Die Zahl der Beschäftigten über 50 steigt (aktuell ein Viertel der unselbständig Erwerbstätigen) und mit ihnen die Zahl der älteren Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren.

Wiewohl die Gehaltskurve in den vergangenen 20 Jahren in den rund 30 vom IHS durchforsteten Kollektivverträgen in Österreich deutlich abgeflacht wurde: Ohne Wirkung bleiben die höheren Gehälter älterer Arbeitnehmer freilich nicht. "Probleme und steigende Altersarbeitslosigkeit gibt es dort, wo die Produktivität mit dem Lohnsatz nicht mehr übereinstimmt", stellt Hofer klar.

Nicht wegzudiskutieren seien auch "mit dem Alter korrelierende Eigenschaften", denen man mit Gesundheitsvorsorge, Rehabilitation und vor allem Weiterbildung entgegenwirken müsse. Das Reha-Geld sei ein richtiger Ansatz.

Beschäftigungsförderung

Wider die Seniorität als Verursacher von Job-Verlust spricht insbesondere: Arbeiter haben durchgängig höhere Arbeitslosenquoten. Im Gegensatz zu Angestellten-KVs gibt es in Arbeiter-KVs keine automatischen Vorrückungen. 70 Prozent aller älteren Arbeitslosen sind Arbeiter und Arbeiterinnen. Nachweisbar ist auch: Je näher Arbeiter und Arbeiterinnen beim gesetzlichen Pensionsantrittsalter sind, desto eher werden sie erwerbsarbeitslos.

Hundstorfer will deshalb Beschäftigungsförderung, Bildung, Qualifizierung und Arbeitsstiftungen ausweiten. Dafür seien bis 2017 rund 720 Millionen Euro budgetiert. Im Juni waren 85.648 Menschen ab 50 als arbeitslos vorgemerkt – um 11.942 mehr als im Vorjahresmonat. Die Verweildauer im Schnitt: 152 Tage. Im ersten Halbjahr 2015 wurden 14.579 Personen mittels Beschäftigungsbeihilfen in den "ersten" und "zweiten" Arbeitsmarkt eingegliedert.

Am stärksten ausgeprägt ist das Senioritätsprinzip in Finanz- und Versicherungsbranche, gefolgt von Handel und Bau. Finanzer stellen aber nur 0,9 Prozent der Altersarbeitslosen. (ung, 21.7.2015)