STANDARD: Das IHS hängt am Tropf des Finanzministeriums. Das zuständige Wissenschaftsministerium hat mit dem IHS wenig am Hut. Tut dieser Zustand einem Forschungsinstitut gut?

Höllinger: Das Wissenschaftsministerium ist der Anwalt der Wissenschaft! Es hat also selbstverständlich etwas am Hut, wie Sie es ausdrücken, mit dem IHS. Die Förderung obliegt dem Finanzministerium. Das Wissenschaftsministerium fördert auch, aber mit einem kleineren Betrag.

STANDARD: Wo bleibt die für die Grundlagenforschung unabdingbare wissenschaftliche Unabhängigkeit, wenn der größte staatliche Geber zugleich der größte Abnehmer ist wie beispielsweise bei den Konjunkturprognosen?

Höllinger: Ich habe über das Finanzministerium überhaupt nicht zu klagen. Das IHS bekommt als Basisfinanzierung 3,3 Millionen Euro pro Jahr und diese Finanzierung ist bis 2018 gesichert. Einflussnahme auf Forschungsinhalte oder -ergebnisse gibt es nicht.

Einen neuen Sitz hat Interims-IHS-Chef Sigurd Höllinger mit dem Palais Strozzi gefunden. Jetzt wird die Forschung neu aufgestellt
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STANDARD: Wer zahlt noch mit?

Höllinger: Die Nationalbank zahlt auch noch und die Stadt Wien. Insgesamt gibt der Staat für die Infrastruktur des IHS rund fünf Millionen Euro pro Jahr.

STANDARD: Damit werden rund hundert Forscher am IHS wohl kaum satt. Woher kommt der Rest?

Höllinger: Sie dürfen nicht vergessen: Die meisten Wissenschafter finanzieren sich selbst über Aufträge. Und die Auftraggeber sind mit der Leistung zufrieden, sonst wären die eingeworbenen Auftragssummen nicht um zehn Prozent gestiegen. Ein Viertel der Aufträge sind aus EU-Mitteln finanziert. Das macht uns stolz und ist auch Beleg für unsere Unabhängigkeit und Expertise.

STANDARD: Die Abteilung Ökonomie ist von Kürzungen betroffen. Wie reagiert das Finanzministerium darauf? Ist gar die heilige Konjunkturprognose in Gefahr?

Höllinger: Keineswegs! Die Konjunkturprognose ist essentieller Bestandteil und sie ist inkludiert in den 3,3 Millionen Euro Basisfinanzierung. Das Finanzministerium nimmt keinerlei Einfluss auf die Prognose. Die wird hier im Haus eigenständig erstellt wie jene des Wifo, die von den Sozialpartnern beauftragt ist. Ich glaube, es ist von Vorteil für die Republik, zwei konkurrierende Institute zu haben, deren Ergebnisse meistens in der Nähe liegen. Wir sind dabei, die Prognosemethoden zu verbessern – mit neuen ökonometrischen Modellen und Gedanken.

Aber richtig ist: Es sind Änderungen notwendig. Wenn die Finanzierung gleich bleibt, sind die Aufgaben, die zu erfüllen sind, zu ändern. Dazu gibt es einen einstimmigen Beschluss unseres Kuratoriums, dass wir Doktorats- und Masterstudienlehrgänge nicht weiterführen. Jene für Politologie und Soziologie wurden bereits eingestellt. Das ist Sache der Universitäten, die heute viel besser und breiter aufgestellt sind, als wir das je könnten.

Wenn sich die Finanzierung gleich bleibt, müssen Aufgaben überdacht werden, sagt Höllinger
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STANDARD: Die Rückbesinnung auf die Wurzeln des IHS, Soziologie und Politologie, wird eher wenig Geld bringen, dafür aber kosten ...

Höllinger: Die Beurteilung von wirtschaftspolitischen Fragen nur durch die Ökonomie hat sich gerade in den letzten Monaten als unzulänglich erwiesen. Die Forschungsförderung der EU genauso wie die amerikanischer Universitäten tragen dieser Kritik längst Rechnung. Die lassen Problemfelder von mehreren Disziplinen bearbeiten, nicht nur von Ökonomie. Genau das ist die Stärke des IHS, weil es hier neben der Ökonomie, die sehr gut aufgestellt ist, auch Politikwissenschaften und Soziologie gibt. Daher sind die Antworten, die das IHS geben kann, komplexer und eine bessere Grundlage für die politische Debatte. Ich erwarte mir von der Arbeit in Themengruppen, dass mehr Rationalität und Breite in die politische Debatte kommt.

STANDARD: Können Sie nachvollziehen, dass die Ökonomen um ihre Sonderposition im IHS fürchten?

Höllinger: Die verlieren ja keinen Sonderstatus. Das ist eine ganz kleine Gruppe von Personen, die Probleme mit dem neuen Kurs hat. Mit 50 wissenschaftlichen Mitarbeitern bleibt die angewandte Ökonomie das mit Abstand größte Themenfeld des IHS. In der Soziologie sind wir 25, in Politologie nur acht. Die Sozialwissenschaften führten in den vergangenen Jahren ein Schattendasein, nicht die Ökonomie. Richtig ist aber, dass wir acht Arbeitsplätze im Teaching der Ökonomie haben.

STANDARD: Die haben keine Zukunft mehr?

Höllinger: Selbstverständlich, aber es wird keine eigene Abteilung mehr geben. Wir brauchen für die Forschung in neuen Themen neue Methoden, neue Modelle, ein Datencenter. Hier lade ich die theoretischen Ökonomen ein, mitzuarbeiten. (Luise Ungerboeck, 21.7.2015)