Salzburg – Dirigent Marc Minkowski hätte im Großen Festspielhaus selbst mitteilen können, dass er die Pause bei Haydns Schöpfung nicht nach dem vierten Tag der göttlichen Welterschaffung ansetzen würde, vielmehr nach dem sechsten. Jemand wie Nikolaus Harnoncourt wendet sich ja gern aufklärend ans Publikum. Ist also mittlerweile nichts Besonderes. Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler hätte das also nicht auf sich nehmen müssen.

Es ist allerdings ein besonderer Sommer bei den Salzburger Festspielen, die am Samstag nicht ganz, aber mit der Ouverture Spirituelle irgendwie doch begonnen haben: Viele atmen ja durch, da der Verfechter des Festivalwachstums, Alexander Pereira, sich nach Mailand verflüchtigt hat. So beginnt ein zweijähriges Interregnum von Theaterchef Sven-Eric Bechtolf als künstlerischer Gesamtleiter. Bevor Markus Hinterhäuser alles übernimmt.

Und da Bechtolf zwar ein Genie der Vielseitigkeit ist, es ihn jedoch nicht doppelt gibt und er an diesem Abend Figaro probt, verkündet die Festspielpräsidentin in Bechtolfs Namen die Probenplatzierung und bewirbt ein Festival "mit 188 Veranstaltungen" bei einer Dauer von 45 Tagen. Von Pereira sind noch Spuren vorhanden; die Ouverture Spirituelle war dessen Erfindung, man hat sie nicht eingespart wie etwa den Festspielball.

Klänge anderer Religionen

Auch die Idee, die christlich geprägte klassische Musik jeweils mit Klängen anderer Religionen zu kombinieren, ist geblieben. So steht das Festival, das heuer Klänge des Hinduismus präsentiert, unter dem Schutz der Gottheiten Brahmad, Shiva und Vishnu. Letztere behütet die Menschen und bekämpft alles Böse, wobei dies im Festspielhaus nicht nötig war.

Ein Dirigent wie Minkowski ist immer gut, besonders aber dann, wenn er eine Notenwelt durch und durch bewusst ausgestalten, gründlich erarbeiten kann. Und auch bei der Schöpfung generiert sein historisch informierter Zugang mitunter delikate Momente. Dort etwa, wo Geigen schwiegen, Bratschen, Celli und Kontrabässe aber die durch Raphael (profund Adrian Sampetrean) verkündeten Gottesworte ("mehret euch!") melancholisch unterstützten, breitet sich tiefe Empfindung dunkel glühend aus.

Eine Ausnahme allerdings, denn der große Raum ist tückisch. Er poliert freundlich Unebenheiten, gnadenlos ist er jedoch zu diskreten Feinheiten. Wiederholt klingen denn auch die vibratolos angelegten introspektiven Passagen anämisch, während das Dramatische und die akzentuierenden Stärken der Musiciens du Louvre (mit Mitgliedern des Mozarteum-Orchesters) gut rüberkommen. In Summe: Die Koordination stimmte nicht immer, auch intonatorisch gab es Verzichtbares. Aber gestalterisch war das ein interessanter Abend. Vor allem auch dank des Salzburger Bachchors, um den herum Chiara Skerath spät zu Klangschönheit fand, die Tenor Stanislas de Barbeyrac von Anbeginn an zelebrierte. (Ljubisa Tosic, 19.7.2015)