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In Kanada sucht die Polizei Personen, die Erdäpfel mit Nadeln präparieren. Von den Tätern fehlt jede Spur.

Foto: APA/dpa-Zentralbild

Vancouver – In Kanada muss man nicht Lotto spielen, um einen hohen Geldpreis zu gewinnen. Man kann zum Beispiel der Polizei verraten, wer Nähnadeln in Erdäpfeln versteckt – und schon hat man eine halbe Million kanadische Dollar oder 355.000 Euro in der Tasche. Seit zehn Monaten wird in der Provinz Prince Edward Island im Osten Kanadas ein Bösewicht gesucht, der der mächtigen Erdäpfelindustrie schaden will. Bis heute hat man ihn nicht gefunden. Erst hatten Erdäpfelproduzenten eine Belohnung von 70.000 Euro für Hinweise geboten. Aber keiner war bereit auszupacken.

Im vergangenen Oktober waren erstmals in kanadischen Läden Erdäpfel aufgetaucht, die mit Nähnadeln oder anderen Metallobjekten gespickt waren. Die Herkunft der malträtierten Knollen war rasch enthüllt: Sie kamen von einer Farm in Summerside, auf Prince Edward Island (PEI). Im April und Mai tauchten weitere Erdäpfel mit Nadeln im Bauch auf, die von anderen Erdäpfelproduzenten auf der Insel kamen. In ganz Kanada rätselt man über den Fall, denn Erdäpfel aus Prince Edward Island haben schon fast alle einmal im Leben gegessen.

1,2 Milliarden Kilogramm Erdäpfel

Die flache Insel im Nordatlantik wirkt wie ein einziges Erdäpfelfeld: Acker reiht sich an Acker. Jedes Jahr werden hier rund 1,2 Milliarden Kilogramm Erdäpfel geerntet. Die Produzenten von PEI behaupten, die Knollen seien berühmt für ihren guten Geschmack. Aber jetzt machen diese Erdäpfel Schlagzeilen wegen möglicher Sabotage. Rund eine Million Erdäpfel wurden zurückgerufen, und die Milliardenindustrie ist in Panik.

Es wird viel spekuliert: Ist der Täter ein unzufriedener Angestellter oder einfach ein verrückter Erdapfelhasser? Die Ermittler klopften auch bei Sharon Labchuk an, einer Umweltaktivistin und Kritikerin der Erdapfelindustrie: Sie wirft den Produzenten Gebrauch krebserzeugender Mittel zur Bekämpfung von Schadpilzen vor. "Die vergiften eine ganze Insel", sagt sie. 80 Prozent der Pflanzenschutzmittel, die die Erdäpfelproduzenten versprühen, seien als karzinogen klassifiziert, sagt Labchuk.

Wie viele Menschen auf Prince Edward Island wundert sich Labchuk, dass der Fall noch nicht gelöst ist. "Wir sind eine kleine Insel, und normalerweise weiß man hier, was andere Leute tun", sagt sie. Allerdings sind die Erdäpfelfelder jedem zugänglich. Wer sich also nachts unerkannt auf einen Acker schleichen will, muss kaum damit rechnen, entdeckt zu werden.

Schnell melden

Einige wundern sich, warum so viel Kopfgeld geboten wird. Bisher wurde niemand verletzt. Zwischenzeitlich haben sich die Erdapfelproduzenten Metalldetektoren zur Kontrolle der Ernte zugelegt – aber nicht auf eigene Rechnung. Die rund 2,9 Millionen Euro kamen von der Regierung in der Hauptstadt Ottawa und der Provinz – somit bezahlten die kanadischen Steuerzahler die Kosten. Die Polizei hat ihre Untersuchung intensiviert. Wer allerdings 355.000 Euro einkassieren will, muss sich sputen. Nach dem 15. August wird die Prämie wieder auf 70.000 Euro gesenkt – wie beim Lotto-Jackpot. (Bernadette Calonego, 19.7.2015)