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Das erste Opfer der Verfolgungswelle: Fengrui-Anwältin Wang Yu

Foto: AP / Mark Schiefelbein

Chinas jüngste massive Verfolgungswelle gegen kritische Anwälte und Juristen hat Menschenrechtsorganisationen und Regierungen im Ausland entsetzt. Nun schlägt die Propaganda gegen alle Kritiker mit Beschimpfungen und unverhüllten Drohungen zurück. Die Botschaft lautete: Chinas Führung dulde keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten ihres Landes, wenn sie ihre Sicherheit bedroht sieht.

Das Parteiblatt "Global Times" machte sich stellvertretend mit seiner Polemik gegen das US-Außenministerium zum Wortführer. Die USA hatten Peking nach der vor rund einer Woche begonnenen polizeilichen Unterdrückung von Menschenrechtsanwälten und Juristen vorgeworfen, sein eigenes Recht und Gesetz zu brechen, wenn es "systematisch jene Menschen einsperrt, die friedlich die Rechte von anderen verteidigen". Die "Global Times" höhnte zurück: "Früher konnten die USA gegen ein schwaches China noch den 'Menschenrechtsknüppel' schwingen. Heute ist es nicht mehr als ein Kaugummi, der an den Sohlen des chinesischen Volkes klebt." Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua nannte schon in ihrer Überschrift die festgenommenen Anwälte schuldig, obwohl noch kein Gericht Anklage erhoben hatte. Dann drohte sie allen Zweiflern: "Westliche Medien sollten besser aufpassen, um sicherzugehen, dass sie auf der richtigen Seite stehen."

Am 10. Juli hatte die von Pekings Führung von langer Hand vorbereitete Repressions- und Diskreditierungskampagne gegen eine kleine Gruppe von Sozial- und Menschenrechtsanwälten begonnen. Zuerst war die couragierte Anwältin Wang Yu aus der auf "hartnäckige Fälle" spezialisierten Pekinger Kanzlei Fengrui verschleppt worden.

Dutzende Verhöre

Als mehr als 100 Anwälte darauf in landesweiter Solidarität in einem Onlinebrief protestierten, holten sich die Polizeibehörden alle Unterzeichner zum Verhör vor, verwarnten und drangsalierten sie. Fengrui-Direktor Zhou Shifeng und mehrere seiner Anwälte wurden festgenommen. In einer konzertierten Aktion veröffentlichten zugleich staatliche Medien vorbereitete Schuldbeweise, Fotos, aufgenommene Geständnisse und Zeugenaussagen. Danach hätten die Fengrui-Menschenrechtsanwälte seit Juli 2012 vierzigmal die öffentliche Ordnung störende Demonstrationen und Proteste für ihre Klienten organisiert, um sich selbst illegal zu bereichern und Staat, Partei und Gerichte in Verruf zu bringen.

Am Sonntag berichtete das KP-Parteiorgan, die "People's Daily", dass mehrere Beschuldigte geständig sein sollen, darunter auch der Anwalt der kürzlich freigekommenen "Zeit"-Journalistin Zhang Miao. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International befanden sich am Sonntag noch 31 der zuletzt festgenommenen Anwälte und Aktivisten in Gewahrsam.

Gegen die neue Eskalation in der von Chinas Parteiführung betriebenen innenpolitischen Verschärfung und Reideologisierung erheben nun ergraute, weltbekannte Juristen öffentlichen Protest. Der prominente 85-jährige Ehrenrektor auf Lebenszeit an der renommierten China-Universität für Recht und Politik, Jiang Ping, sagte etwa in einer Rede: "Wenn der öffentliche Machtapparat einfach so Anwälte festnimmt, dann ist es ein Rückschritt in seine Verantwortung, sie zu schützen. Daher haben wir die Pflicht, hier lautstark dagegen aufzutreten. Unsere ganze Gesellschaft muss für die Sicherheit und den Schutz der Anwälte kämpfen." (Johnny Erling aus Peking, 20.7.2015)