Die Geschichte scheint sich in der Tat zu wiederholen – aktuell noch nicht einmal als Farce. Während das Revival des marxistischen Begriffs des Mehrwertes in Gestalt des Public Value kaum mehr jemanden irritiert, scheint auch einer der Vordenker von Marx, Pierre-Joseph Proudhon, als Wiedergänger aufzutreten. Wir erinnern: In seiner 1840 erschienenen Schrift Qu'est-ce que la propriété? kommt Proudhon zu dem polemischen Schluss: "Eigentum ist Diebstahl."

Klingt doch ganz nach der jüngsten Debatte um Leistungsschutzrechte. Die Eigentümer und Manager von Suchmaschinen und Social-Media-Unternehmen wollen zwar das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, denn Proudhon meinte ja das Privateigentum an Produktionsmitteln. Das will man gerne behalten. Aber wenn es um Content geht, den andere produziert haben und mit dem man trefflich verdienen kann, dann scheint der Proudhonismus fröhliche Urstände zu feiern.

Freiheit, Gleichheit, Chancen und Möglichkeiten

In der Debatte wird von den Gegnern eines Leistungsschutzrechtes alles angeführt, was auch schon der Begründer des Anarchismus ins Felde geführt hat: Von Freiheit, Gleichheit, von der Abwesenheit eines zentralen Herrschers, von der Vernetzung Gleicher, von Chancen und Möglichkeiten aller ist die Rede. Und etwas moderner im Sinne der Ökonomie der Aufmerksamkeit auch davon, dass Suchmaschinen das Auge auf Unbeachtetes lenken würden. Plausibel, oder?

Unberechtigte Nutzung sei Diebstahl

Solide sind aber auch die Argumente der Medienunternehmen, die in die Produktion von Content beträchtliche Summen investiert haben und die an einer proprietären Verwertung ebendieses Contents auf ihren eigenen Plattformen interessiert sind. Dieser sei ihr Eigentum – und die unberechtigte Nutzung eben Diebstahl. Daneben seien Medien wichtige Faktoren bei der Produktion von qualitätsvoller Öffentlichkeit, die für die Mediendemokratie und die kulturelle Identität zentral sei. Es ginge also zugleich um den Schutz von wirtschaftlichen und demokratischen Interessen und die Ausbalancierung der Stellung von globalen Quasimonopolisten, denen man sich als regionaler Player nur unter Gefahr des Unterganges verweigern könne. Von Freiwilligkeit könne da ja keine Rede mehr sein. Plausibel, oder?

Wie etwas sein soll

Wie oft, wenn man die Realität treffend in beide Richtungen interpretieren kann, ist der Fall nicht empirisch, sondern nur normativ zu lösen. Auch die Frage der Bewertung dieser Technologien kann man nur unter Verweis auf normative Argumente klären. Dabei geht es nicht so sehr um die Frage, wie etwas ist, sondern eher um die Frage, wie etwas sein soll. Die Medienethik argumentiert nun, dass auch in mediatisierten sozialen Welten das Prinzip der Freiheit und der Eigenverantwortung Richtschnur sein soll.

Wenn man also kein Geschäftsmodell aus dem Verweis auf Content macht und einfach nur auf relevante und für die Gesellschaft wichtige Informationen verweist, die die Produser gerne und freiwillig zur Verfügung stellen, dann ist es wohl gerechtfertigt, den Content anderer kostenfrei zu nutzen. Wenn man jedoch ein Geschäft mit der Aufmerksamkeit machen möchte und sich am Content anderer bereichert, ohne dafür eine Gegenleistung zu erbringen, dann ist das schlicht Ausbeutung. Ob als Gegenleistung Aufmerksamkeit ausreicht, muss der freien Beurteilung jener unterliegen, die den Content produziert haben.

Erlöse fair teilen

Wenn dem nicht so ist, dann wäre es verantwortungsvoll, die Erlöse fair zu teilen. Ob für die Realisierung ethischer Prinzipien jedoch die Kraft des Argumentes alleine ausreicht, war schon immer zweifelhaft – und ist es auch jetzt. Ohne suprastaatliche und ohne nationalstaatliche Imperative wird es nicht gehen. (Matthias Karmasin, 19.7.2015)