Bild nicht mehr verfügbar.

Schreie haben Frequenzen zwischen 30 und 150 Hertz, wo weder Sprache noch Gesang verortet sind. Probanden konnten Geräusche in diesem Frequenzbereich leichter und viel schneller orten als andere.

Foto: EPA/MAJA SUSLIN / TT

Genf/New York – Im Gegensatz zum normalen Sprechen versetzen Schreie Menschen in sofortige Alarmbereitschaft. Bisher war jedoch nicht bekannt, was Schreie zu einzigartigen Signalen macht und wie sie im Gehirn verarbeitet werden.

Forscher der Universität Genf haben nun herausgefunden, dass Schreie eine eigene akustische Nische besetzen. Schreie haben Frequenzen zwischen 30 und 150 Hertz (Hz), wo weder Sprache noch Gesang verortet sind, wie das Wissenschafterteam um Luc Arnal im Fachjournal "Current Biology" berichtet.

Frequenz bestimmt die Tonhöhe

Das gesprochene Wort ist auf langsameren Frequenzen verortet, bei etwa fünf Hz. Die schnellen Frequenzen von Schreien produzieren Laute, die vom Menschen als störend oder aggressiv machend wahrgenommen werden. Daher spreche man von "rauen" Klängen. Testpersonen ordneten Töne im Versuch umso unangenehmer und "schrecklicher" ein, je rauer sie waren.

Die Forscher wollten weiter die Reaktion des Gehirn auf Schreie herausfinden. Dazu untersuchten sie mittels funktioneller Magnetresonanztomografie die Gehirne ihrer Probanden, während diese verschiedene Laute und Klänge hörten.

Während normale Töne in erster Linie im Hörzentrum verarbeitet werden, passieren die "rauen" Laute bevorzugt den Mandelkern (Amygdala). Dieser kleine Kern ist auch als "Angstzentrum" bekannt und spielt eine wichtige Rolle bei der schnellen Bewertung von Gefahrensituationen, damit der Mensch rasch auf bestimmte Reize reagieren kann.

Durch Schreie schneller auf Gefahren reagieren

Tatsächlich konnten die Testpersonen Geräusche zwischen 30 und 150 Hz im Raum leichter und viel schneller orten als andere. "Das zeigt, dass Schreie es ermöglichen, sehr viel schneller und besser auf Gefahren zu reagieren", sagt Mitautor David Poeppel von der New York University.

Die Forscher untersuchten neben natürlichen Geräuschen auch künstliche Töne. Es zeigte sich, dass Klänge von Alarmsystemen, die auf Gefahr hinweisen, den gleichen Frequenzbereich wie Schreie umfassen. Bei den ebenfalls getesteten Musikinstrumenten war dies nicht der Fall.

Aggression reduzieren

Diese Erkenntnis könnte sogar für praktische Anwendungen genutzt werden, glauben die Forscher. Viele Menschen fühlten sich von den vielen künstlichen Lärmquellen im Alltag überfordert und reagierten aggressiv darauf. Das bessere Verständnis, wie das Gehirn auf "raue" Töne reagiert, könnte helfen, die akustische Umwelt zu verbessern.

So könnten Klangdesigner auf solche Frequenzen verzichten, wenn künstlich geschaffene Signaltöne wie das Piepsen von Smartphones oder beim Schließen von Bustüren keine Gefahr anzeigen sollen. Im Gegensatz dazu könnten Elektroautos, die sehr leise sind und deshalb eine Gefahr für Fußgänger darstellen, mit künstlichen Alarmsignalen mit der richtigen Frequenz ausgestattet werden. (APA, 17.7.2015)