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Seinen Abschied als US-Präsident nimmt Barack Obama erst in eineinhalb Jahren. Amtsmüde wirkt er nicht. Eher scheint es, als wolle er noch einmal richtig durchstarten.

Foto: AP / Evan Vucci

Es ist noch nicht so lange her, da musste sich Barack Obama von allen Seiten spöttische Kommentare anhören, weil er einst "Hoffnung" und "Wandel" beschworen hatte und in Wahrheit regiere, wie ein pedantischer Aktenverwalter, der nach der Devise handelt, dass Vorsicht die Mutter der Porzellankiste ist.

Der mit Müh und Not durchs Parlament gebrachten Gesundheitsreform vom Frühjahr 2010 folgten der Aufstand der Tea Party und republikanische Siege bei den Kongresswahlen, die so deutlich ausfielen, dass sie den Präsidenten an den Rand der Handlungsunfähigkeit zu treiben schienen. Der mit überreichlich Vorschusslorbeer bedachte Reformer erinnerte bisweilen an einen Resignierenden, der sich fast schon fatalistisch mit der Realität arrangierte. Er schien sich damit abgefunden zu haben, nur noch kleine Brötchen backen zu können.

Keine Wahlkampfbühnen mehr

Alles Szenen von gestern. Auf der Zielgeraden seiner Präsidentschaft erlebt Amerika einen Barack Obama, der so gar nichts mehr gemein hat mit dem zaghaft lavierenden Taktiker, der er bis zum vorigen Herbst war. Zu beobachten ist ein wie befreit auftrumpfender Mann, der an seinem Vermächtnis bastelt, an seinen Platz in den Geschichtsbüchern denkt. Wahlkampfbühnen muss er nicht mehr betreten.

Die Legislative ist fest in konservativer Hand, woran er nichts ändern kann. Zu verlieren hat er nichts mehr, weshalb er mit einer Selbstsicherheit agiert, für die Matt Bai, einer der originellsten Kolumnisten der USA, eine schöne Metapher gefunden hat. Obama erinnere an diesen alten Burschen, der auf einen Zettel geschrieben habe, was er im Leben noch erledigen müsse, der die Liste nun Posten für Posten abhake – "und sich daran ergötzt, wie verblüfft die anderen dreinblicken".

Außenpolitische Initiativen

Es begann damit, dass der Präsident ein Relikt des Kalten Krieges über Bord warf, eine in leeren Formeln erstarrte Kubapolitik, und die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit Havanna ankündigte. Gegen teils heftigen Widerstand in den eigenen Reihen, ein Zweckbündnis mit den Republikanern schmiedend, legt er sich für zwei Frei handelsabkommen ins Zeug, ein transpazifisches und ein trans atlantisches. Gegen eine breite Front von Skeptikern zog er die Atomverhandlungen mit dem Iran bis zu einem Ergebnis durch – einem Ergebnis, das der Kongress freilich noch anfechten kann.

Mancher vergleicht ihn mit Richard Nixon, nicht mit dem Nixon des Watergate-Skandals, sondern mit dem kühlen Strategen, der 1972 völlig überraschend nach Peking reiste und damit ein zuvor nahezu undenkbares Tauwetter einleitete. So wie Nixon eine Art stiller, zugleich schwieriger Partnerschaft mit China einfädelte, könnte Obama ein historischer Ausgleich mit dem Iran gelingen, eine Verständigung über vieles, was sich in den 36 Jahren seit Khomeinis Islamischer Revolution an Konfliktpunkten angehäuft hat. Er hoffe, sagt er, der angebahnte Dialog motiviere das Land, sich im Nahen Osten "anders zu verhalten, weniger aggressiv, weniger feindlich, kooperativer, so wie es Nationen in der internationalen Gemeinschaft tun sollten".

Ein langer Bogen zum Erfolg

Wer keine Gesprächsfäden knüpft, kann den anderen nicht beeinflussen. Kein Wandel ohne Annäherung, so die Logik des Realpolitikers im Oval Office. "Sie fragen nach einer Obama-Doktrin? Die Doktrin ist: Wir führen den Dialog, zugleich behalten wir all unsere Optionen. Ich glaube, der Dialog ist eine mächtigere Kraft als die Isolation", brachte er es neulich in einem Interview mit der New York Times auf drei Sätze.

Ähnlich hatte er es im Jänner 2008 formuliert, im Kandidatenduell gegen Hillary Clinton. Im Kodak Theatre, der Oscar-Bühne in Hollywood, debattierten beide über Pro und Contra einer Charmeoffensive gegenüber den Ayatollahs. "Ich glaube, wenn wir uns mit ihnen treffen, mit ihnen reden, ihnen neben der Peitsche auch Zuckerbrot anbieten, wird es wahrscheinlicher, dass sie ihr Benehmen ändern", skizzierte Obama seinen Ansatz. Siebeneinhalb Jahre später kann er zum ersten Mal Zählbares vorweisen. (Frank Herrmann aus Washington, 18.7.2015)