Frontmann Maarten Seghers "in concert" mit einem der Mitglieder seiner brummenden Lautsprecher-Band The Horrible Facts.


Foto: Ursula Kaufmann

Wien – Auftritt des Frontmanns. Blue Jeans, grünes T-Shirt, langes Haar. Seinem mitgenommenen Gesicht entfahren unklare Laute. Ein Körper, der taumelt und hampelt. Wie zugedröhnt trampelt er auf seiner in elektronischen Rückkoppelungen brummenden Band herum, auf den Horrible Facts. Die Band ist sein Podest: keine Menschen, sondern sechs "schreckliche Tatsachen" in Form von großen, flachen Lautsprecherboxen aus Holz.

So fährt Maarten Seghers im Wiener Schauspielhaus sein Stück What do you mean What do you mean and Other Pleasantries an und damit auch das Programm der diesjährigen Impulstanz-Ausgabe, die am Dienstag mit Doris Uhlichs Hit the Boom-Show im Haupthof des Museumsquartiers eröffnet wurde. Das Solo ist Teil der ins Festival integrierten Reihe [8:tension]. Der Belgier Seghers kooperiert viel mit Jan Lauwers' Needcompany, arbeitet aber auch eigenständig als Musiker und Performer sowie Installations- und Videokünstler.

Dieser Mann, der sich am Beginn seiner What do you mean-Performance ein langes Brett vor Kopf und Körper schnallt, gibt gerne Konzert-Shows – mit Titeln wie The Tragedy Of The Applause. Auch sein Festivalauftakt ist ein Konzert. Es besteht aus einem einzigen Song, der über eine Stunde hin alles infrage stellt, was man gemeinhin mit Musikromantik in Verbindung bringt. Ist das eine Verarschung von Popritualen?

Möglicherweise. Die Popkultur kann sich zwar gut über sich selbst lustig machen, aber die reiche Kultur der Popmusik verströmt sehr gerne einen tiefen Ernst. Sie schafft Ikonen, die zutiefst verehrt werden, weil sie Virtuosinnen oder Meister der Gefühlsmanipulation sind. An dieser auch unheimlichen Tatsache hakt der Frontmann ein, eine Figur, die erst einmal jammert, weil sie ihr Passwort vergessen hat und so im eigenen Song auf der Bühne steckenbleibt. In dieser Ausweglosigkeit bleibt nur, nach den Herzen im Publikum zu greifen: "I want to feel it. / It wants to feel you." Und so weiter im Rückkoppelungssound, bis: "I can't do this."

Aber von der Bühne kann der mit seinem Brett in den Knien Wippende auch nicht. "I'm so touchable, I'm so touched." – "It's a feast of feelings. / It makes me change." Diese Lyrics sind eine Wortentladung. Der Frontmann schiebt den Stein seines Auftritts vor sich her, und der rollt ihm immer wieder davon. "C'm on, feel it!" Die Worte zersetzen sich zu Knittelversen, die Sprache verödet, die angebliche Zuwendung in Richtung Auditorium erfährt ihre Enttarnung als Farce.

Mit diesem Auftritt feiert das absurde Theater die Sinnfreiheit des Lebens und der Popmusik, die Normalität des Irrsinns, die Bühne als eine Zelle, das Kunstmachen als Sisyphusarbeit. Seghers arbeitet sich ab an seinem Publikum, das er bis zum Schluss nicht erlöst. Das hat Witz, wenn auch einen fatalistischen, und eine Größe, wenn auch eine abgründige. (Helmut Ploebst, 17.7.2015)