Umgeben vom Serapions-Ensemble: Zoraide (Ivana Rauchmann, li.) wird vom Barometermacher und ihrer Zofe Linda (Julian Loidl und Sophie Resch, Mitte) für ihre Gier und Boshaftigkeit bestraft. Tutu (Rainer Spechtl, re.) ist angesichts seiner Tochter eher hilflos.

Foto: Claudia Prieler

Gutenstein – Auf der Südautobahn, von Wien kommend, kann man zurzeit sehr verschiedene Zeltlager besuchen. Zum einen das im Kreuzfeuer der humanitären Kritik stehende Auffanglager für in Österreich Gestrandete in Traiskirchen. Zum anderen jene Zeltansammlung ein paar Abfahrten weiter in Gutenstein, die den ortsansässigen Festspielen mit Ferdinand Raimunds Der Barometermacher auf der Zauberinsel seit Donnerstag ein temporäres Zuhause gibt. Wahlweise in Anzug und Sommerkleid oder zünftiger in Lederhose und Dirndl (zur Eröffnung sowie dem allgemeinen Amüsement spielte denn auch die Blasmusik), kann man es sich in letzterem Zeltgebäude bei "Bier wie wir" und Co. einigermaßen gutgehen lassen.

Doch auch Raimunds Zauberinsel ist keine Insel der Seligen, wie Julian Loidl, spielfreudig in der titelgebenden Rolle des Barometermachers Quecksilber, erkennen muss. Von der Blumen im Bart tragenden Fee Rosalinde (etwas zu beflügelt: Marcelo Cardoso Gama) mit Zaubergaben ausgestattet, wird er zum Opfer der selbstsüchtigen Zoraide (Ivana Rauchmann), Tochter des Inselherrschers Tutu (schon vom Schlafen müde: Rainer Spechtl), die ihm seine Schätze abluchsen will. Am Ende beweist der von Berufs wegen auf dicke Luft Spezialisierte aber doch noch das nötige Feingefühl für zwischenmenschliche Druckverhältnisse, drückt sich an Zoraides Zofe Linda (auf natürliche Weise bezaubernd: Sophie Resch) und erkennt, dass "diese Welt halt doch das Beste auf dieser Welt" ist.

Dass "diese Welt" in Gutenstein keine allzu schlechte ist, hat schon Ferdinand Raimund selbst erkannt. 1790 in Wien geboren (man feiert heuer seinen 225. Geburtstag), entwickelte er zunehmend innigliche Gefühle für den Ort im Piestingtal, ließ sich 1834 hier nieder und 1836 gar begraben. 1993 wurden zur Erinnerung Raimund-Festspiele aus dem Boden gestampft. Nach ein paar Jahren im Musicalfach besinnt man sich aber erneut auf den Urgedanken.

Zum dritten Mal stehen die Spiele heuer wieder im Zeichen Raimunds und unter der Intendanz von Isabella Gregor, die es sich zum Ziel gemacht hat, dessen OEuvre in unterschiedlichen Zugängen und neuen Interpretationen zu zeigen. Dafür hat sie diesmal Odeon-Theatermacher Erwin Piplits geholt. Mit Sack (fantasievolle Kostüme von Kaja Leierer, faltbare statt einfältige Kulissen von Max Kaufmann und Mirjam Salzer) und Pack (Serapions-Ensemble) ist er aus Wien gekommen. Mit Erfolg?

Zwar ist der wienernde Quecksilber mit Tiroler-"ch" und dem "Grexit" -Äquivalent "Quexit" wortspielerisch. Zwar erweist man sich mit der "Wir sind Kaiser"-Hymne sowie einem Seitenhieb auf die Schönheit des Karl-Heinz (Grasser) anspielungsreich, zwar legt das gesamte Ensemble eine solide Leistung ab. Doch dauert die eher dünne Geschichte über das Gute, Schlechte und Naive im Menschen (die Zauberposse von 1823 ist Raimunds erstes Stück) inklusive Pause mit drei Stunden eine gefühlte halbe zweite Hälfte zu lang. Auch dass "vü gsungen wird", was "a supa is" (O-Ton aus dem Publikum), hilft da nicht. Die braven Couplets (Thomas Mandel mit Band) fügen sich mit Einlullfaktor in eine weder neue noch tiefschürfende Regie. Raum für Zwischentöne gibt es im effektbedachten Trubel nicht. Man freut sich halt, wenn's lustig ist.

Theater für den Straßenbaudirektor

29 Produktionen an 23 Spielstätten zählt der niederösterreichische Theatersommer heuer. An zuweilen entlegen-malerischen Orten beziehen sie pittoreske Schlösschen oder Zelte, in die das Publikum sich (hoffentlich auch von weither!) von frischer Luft und gutem Wein locken lassen soll. Wäre es manchmal nicht nachhaltiger, das ganze Jahr über kleinere Veranstaltungen für die örtlichen Bevölkerungen auf die Beine zu stellen, als 50-Euro-Tickets fürs Festzelt zu verkaufen? Zwar könnte man dann nicht den Herrn Landeshauptmann (ohnehin in absentia) und wohl auch nicht den Herrn Straßenbaudirektor als Zuschauer begrüßen. Aber wem würde das abgehen? Immerhin der Herr Pfarrer käme doch wohl trotzdem! (Michael Wurmitzer, 17.7.2015)