Fische und Wasservögel zählen vor allem während der Brutzeit zu den Lieblingsleckerbissen der Seeadler. Heuer schlüpften in Österreich 24 Jungvögel, zwei davon wurden nun mit Sendern versehen.

Foto: Nationalpark Donauauen / Hoyer

Wien – Seit vor 15 Jahren von WWF und Nationalpark Donauauen ein eigenes Schutzprogramm für den Seeadler ins Leben gerufen wurde, gibt es in Österreich wieder regelmäßige Bruten des mit 2,5 Metern Spannweite größten einheimischen Adlers: Nachdem er mehr als 50 Jahre lang bei uns ausgestorben war, kehrte er mit der Jahrtausendwende langsam zurück. Mittlerweile gibt es 24 einheimische Brutpaare.

Hoch in alten Bäumen baut der Seeadler ein Nest von zwei Metern Durchmesser. Dort hinein legt das Weibchen bereits im Februar ein bis zwei Eier, die etwas mehr als einen Monat bebrütet werden. Bis zum Flüggewerden der Jungen dauert es weitere zweieinhalb bis drei Monate, und das ist die Phase, in der die jungen Adler beringt werden – und heuer erstmals auch besendert. Ein Geschwisterpaar – ein Weibchen und ein Männchen – wurde neben den üblichen Ringen auch mit einem GPS-Datablogger ausgestattet.

(Noch) namenlose Seeadler-Dame

Während das Männchen in Erinnerung an den tragischen Thronfolger aus dem Hause Habsburg "Rudolf" getauft wurde, ist seine Schwester noch namenlos. Der WWF lädt daher Interessierte auf seiner Website dazu ein, bis zum 10. August 2015 unter mehrere Alternativen abzustimmen. Unter den Gewinnern wird ein Seeadlerbuch verlost. Zur Auswahl stehen die historisch überlieferten Namen der Schwestern des damaligen Kronprinzen: Gisela, Sophie und Marie Valerie.

Die Ausstattung der beiden Jungvögel mit den GPS-Geräten ist komplizierter als man annehmen möchte: Seeadler reagieren sehr sensibel auf menschliche Störungen. Wenn der Zeitpunkt für eine solche Aktion nicht sorgfältig gewählt ist, kann es sein, dass sie das Gelege im Stich lassen. Mitarbeiter des Schutzprojektes beobachten deshalb die Nester aus der Entfernung, bis die Jungvögel knapp vor dem Flüggewerden sind. "Zu diesem Zeitpunkt haben die Eltern schon so viel in die Brut investiert, dass sie nach der Aktion verlässlich zurückkommen", wie Christian Pichler, Leiter des WWF-Seeadlerprojektes, erklärt. Dann muss der Nestbaum erstiegen werden, und Seeadler brüten gewöhnlich rund 25 Meter über dem Boden. Diese Aufgabe übernehmen eigens ausgebildete Kletterer. Die Altvögel müssen sie dabei übrigens nicht fürchten: Diese beschränken sich darauf, das Geschehen aus sicherer Entfernung zu beobachten.

Schließlich braucht eine solche Aktion auch die Zustimmung des Grundbesitzers oder des Jagdberechtigten. Da trifft es sich gut, dass fünf der österreichischen Seeadler-Paare ihren Nistplatz im Nationalpark Donauauen haben, der an dem Schutzprojekt beteiligt ist. Einer der Horste erfüllte die nötigen Bedingungen, um den Aufstieg für Mensch und Tier unbedenklich zu machen. Die zwei jungen Adler, die dabei besendert wurden, haben dieser Tage das Nest verlassen. In den nächsten Jahren sollen sie unter anderem Aufschluss über ihre Wanderbewegungen geben, denn dazu gibt es noch viele offene Fragen.

Jungvögel auf Erkundungstour

Durch Daten aus Beringungen ist bekannt, dass Seeadler im Jugendstadium – also bevor sie mit fünf Jahren geschlechtsreif werden – oft Strecken von mehreren hundert Kilometern zurücklegen. So gehören viele Seeadler, die im Winter in Österreich zu sehen sind, nördlichen Populationen an: "Vor allem junge, unerfahrene Tiere wandern mit ihren Beutetieren, wie Enten, in den Süden", erzählt Pichler. Von den heimischen Vögeln weiß man, dass sie ihren Lebensraum erkunden. "Sie fliegen oft die Schutzgebiete an der Donau entlang", wie Pichler weiter ausführt.

Wenn sie geschlechtsreif werden, kehren sie jedoch in die Nähe des Elternhorstes zurück und suchen dort nach einem Partner und einem geeigneten Nistplatz. Dafür brauchen sie einen tragfähigen alten Baum, der möglichst weitab menschlicher Störungen und nahe an einem Gewässer liegt, denn Seeadler fressen zur Brutzeit vorwiegend Fische und Wasservögel. Je nach Nahrungsangebot kann ein Brutpaar dabei einen Radius von drei bis 15 Kilometer um sein Nest herum beanspruchen. Dass das Angebot nicht für endlos viele Vögel reicht, ist unter diesen Umständen klar. Wenn es zu eng wird, kommt es oft zu Kämpfen, die häufig tödlich ausgehen.

Ausbaufähige Population

Das Potenzial der Donauauen östlich von Wien dürfte laut Pichler mit derzeit fünf Brutpaaren weitgehend ausgeschöpft sein. Platz für ein bis zwei weitere Paare könnte es in den Marchauen geben. Insgesamt bietet Österreich Lebensmöglichkeiten für 40 bis 50 Brutpaare, 24 sind es aktuell. "Ausbaufähig" wären diesbezüglich laut Pichler vor allem das Waldviertel, das Burgenland, die Südoststeiermark und die Donau an der Grenze zwischen Oberösterreich und Niederösterreich. Dass es den vorhandenen Vögeln gut gehen dürfte, darf man aus ihrem Bruterfolg schließen: Die 24 Paare brachten heuer insgesamt 24 Jungvögel hervor. "Bei einer vitalen Population geht man davon aus, dass sie durchschnittlich einen Jungvogel pro Brutpaar erzeugt", erklärt Pichler, "das passt also."

Von den GPS-Sendern erwartet sich Pichler Erkenntnisse, die die Schutzbemühungen für die Art verbessern sollen. Nur sechs Wochen nachdem das Geschwisterpaar das Nest verlassen hat, gibt es auch schon die ersten verwertbaren Ergebnisse: Überraschenderweise halten sich die Jungvögel nämlich noch immer in der Nähe des Nestes auf. "Das zu wissen ist wichtig, um Störungen zu vermeiden", freut sich Pichler. Nächstes Jahr sollen weitere Seeadler im Nationalpark Donauauen mit Sendern ausgestattet werden, wenn möglich aber auch in einem anderen Gebiet, um die Daten vergleichen zu können. "Solange die Seeadler nicht fix über den Berg sind, läuft das Schutzprojekt jedenfalls", erklärt Pichler. (Susanne Strnadl, 19.7.2015)