Wien – Zwischen Fachhochschulen (FHs) und Universitäten entwickelt sich ein Konflikt um Doktoratsstudien. Die FHs wollen seit Jahren auch Doktoratsprogramme anbieten, dürfen dies jedoch nicht. Die Universitäten sind dagegen. Eine Arbeitsgruppe zum Thema ist nun fertig, und der Präsident der Fachhochschulkonferenz, Helmut Holzinger, ist mit dem Ergebnis mehr als unzufrieden. "Es geht hier nur um Statusrivalitäten und nicht um Qualität", sagt er im Interview mit dem STANDARD.

STANDARD: Die Fachhochschulen wollen seit Jahren Doktoratsprogramme anbieten können, können dies aber immer noch nicht. Sie konnten sich in einer Arbeitsgruppe innerhalb der Hochschulkonferenz nicht durchsetzen. Warum nicht?

Holzinger: Wir haben zwei Jahre lang in der Hochschulkonferenz diskutiert, und für mich gibt es immer noch kein sachliches Argument dafür, warum wir es nicht bekommen sollen. Wir haben nie ein Promotionsrecht für die Institution Fachhochschule gefordert, sondern wir wollen Doktoratsprogramme anbieten, die zuvor extern akkreditiert werden. Es geht hier nur um Statusrivalitäten und nicht um Qualität. Das Promotionsrecht darf nicht davon abhängen, wie ein Hochschultyp benannt ist, sondern es muss von der Qualität abhängig sein. Wenn Qualitätsstandards erfüllt sind, dann soll die Möglichkeit bestehen, dass wir so ein Programm anbieten können.

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"Das ist keine Kooperation, das ist ein Gnadenakt": Helmut Holzinger ärgert sich über die Zusammenarbeit mit den Universitäten.
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STANDARD: Herausgekommen ist, dass weiterhin Universitäten und Fachhochschulen verstärkt kooperieren sollen. Schon jetzt können deren Studierende ein Doktorat an der Uni abschließen. Warum reicht Ihnen das nicht?

Holzinger: Bei den Kooperationen sollen die Normen und die Satzung der Universität gelten. Die beste Voraussetzung für Kooperation ist aber die gleiche Augenhöhe und nicht, dass sich der eine Sektor nach den Kriterien des anderen richten muss. Das ist keine Kooperation, das ist ein Gnadenakt.

STANDARD: Universitäten existieren seit Jahrhunderten. Fachhochschulen seit etwas mehr als zwanzig Jahren. Haben die Universitäten nicht einfach mehr Erfahrung und auch mehr Studierende und müssen deshalb nicht auf Augenhöhe kooperieren?

Holzinger: Es kann nicht die Frage jahrhundertelanger Geschichte als einziger Qualitätsmaßstab herangezogen werden. Im Fachhochschulsektor haben wir mehr als 700 Habilitierte im Bereich der Lehre. Wir haben also geeignetes Lehrpersonal. Gleichzeitig sind nur 2,75 Prozent der Studierenden, die ein Doktorat absolvieren, FH-Absolventen. Wenn wir in Österreich bei Innovationen in der Forschung an die Spitze kommen wollen, sollten wir diese Zahl erhöhen. Wir können hier einen Beitrag leisten. Nicht als Konkurrenz zur Universität, sondern als sinnvolle Ergänzung.

STANDARD: Ist das Ihrer Meinung nach der Hauptgrund, warum Sie keine Doktorate anbieten können? Weil sich die Unis vor der Konkurrenz fürchten?

Holzinger: Die Unis brauchen sich nicht vor uns zu fürchten. Sie sind gut, und wir sind auch gut. Das Promotionsrecht ist der letzte Bereich, von dem die Unis glauben, dass er ihnen gehört. Was nicht stimmt, weil selbst die Donau-Universität Krems das Promotionsrecht hat. Auch die Privatuniversitäten dürfen Doktoratsprogramme anbieten.

STANDARD: Der Wissenschaftsrat ist gegen ein Promotionsrecht für Fachhochschulen. Er sagt, dass die Herausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses für Forschung und Lehre die Aufgabe der Universitäten ist und den FHs diese Aufgabe von ihrem institutionellen Auftrag her nicht zukommt. Was entgegnen Sie?

Holzinger: Wenn von 100 Doktoranden nur 25 bis 50 an der Universität verbleiben, dann frage ich mich, was mit den anderen 75 bis 50 ist. Die bleiben nicht im universitären Forschungsbereich. Die gehen in die außeruniversitäre Forschung, in die Industrie, in Unternehmen. Die Argumentation des Wissenschaftsrats ist also zu kurz gegriffen.

STANDARD: Es gibt die Sorge, dass die Qualität des Doktorats verwässert wird, wenn es alle anbieten können.

Holzinger: Wenn wir von einem Doktorat sprechen, das extern geprüft wird, und an den Universitäten gibt es diese Prüfung nicht, dann – bei aller Wertschätzung – kann ich dieses Argument nicht verstehen. Die Fachhochschulen würden durch das Doktorat in keiner Weise ihre sektorale Mission verwässern. Es würde an FHs nur Programme in Zusammenhang mit anwendungsbezogener Forschung geben.

STANDARD: In den USA dürfen beispielsweise nicht einmal alle Universitäten einen PhD anbieten. Sollte man nicht eher das als Vorbild sehen?

Holzinger: Das tun wir. Wir sagen ja nicht, dass alle Fachhochschulen ein Doktorat anbieten sollen. Es soll Programme nach externer Akkreditierung geben. Es wird Fachhochschulen geben, die diese Qualitätshürde schaffen, und andere werden sich bewusst gegen das Doktorat entscheiden.

Es geht darum, dass die Fachhochschulen ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen können: ein Studium auf hochschulischem Niveau und anwendungsbezogene Forschung. Hochwertige Forschung bekomme ich nur mit einem forschungsaffinen Personal, und das wiederum werde ich, wie die Universitäten, über Doktoratsprogramme entwickeln.

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Mit neuen Studiengängen könnten die FHs die überfüllten Unis entlasten, sagt Holzinger.
Foto: apa/Pfarrhofer

STANDARD: Anfang des Jahres haben Sie gefordert, dass auch FHs Juristen ausbilden können sollen. Ist der Wunsch noch aktuell?

Holzinger: Wir sind hier schon einen Schritt weiter. Der Vorschlag wurde in der Hochschulkonferenz aufgenommen, im Jahr 2016 wird darüber diskutiert, welche Studien an Universitäten und welche an Fachhochschulen angeboten werden sollen. Wenn die Universitäten sagen, dass das Verhältnis zwischen dem Andrang der Studierenden und ihren Ressourcen aus dem Gleichgewicht ist, dann sind die Fachhochschulen zu einer Entlastung bereit. Aber man muss sie in die Lage dazu versetzen.

STANDARD: Mehr kosten würden mehr Studienplätze da wie dort. Sie würden dafür genauso wie die Universitäten mehr Geld brauchen. Wo ist da die Entlastung?

Holzinger: Dazu muss man wissen, wie viel ein Absolvent kostet. An der Technischen Universität Wien kostet ein Absolvent 98.000 Euro, bei einem Studium mit über 50 Prozent Technik-Anteil an der Fachhochschule kostet der Absolvent 32.000 Euro. Der Steuerzahler gibt also für einen Absolventen an der Fachhochschule wesentlich weniger aus als im Universitätsbereich.

STANDARD: Zurück zum Jusstudium: Die Unis befürchten, dass es zu zwei Klassen kommt und FH-Absolventen schwieriger einen Job finden und schlechter bezahlt werden.

Holzinger: Der empirische Befund bei anderen Studienabschlüssen wie Technik und Wirtschaftswissenschaften zeigt, dass es keinen signifikanten Unterschied bei der Bezahlung der Absolventen gibt. Den Arbeitgebern geht es darum, was die Absolventen können, und nicht, aus welchem Hochschultyp sie kommen.

STANDARD: Ist es realistisch, dass es bald ein FH-Studium für Juristen gibt?

Holzinger: Ob es bei Jus tatsächlich dazu kommt, weiß ich nicht. Da würde ich den Diskussionen vorgreifen. Wir brauchen aber dringend Bewegung. Österreich muss davon weg, dass Strukturen jahrzehntelang unverändert bleiben.

STANDARD: Egal ob beim Promotionsrecht oder beim Jusstudium, immer wieder wird die Wissenschaftlichkeit der FHs angezweifelt. Wie wollen Sie den Ruf der FHs verbessern?

Holzinger: Durch gute Absolventen, da haben wir schon mehr als 100.000, die sprechen für uns.

STANDARD: Die gibt es schon länger, und trotzdem gibt es die Zweifel an der Wissenschaftlichkeit.

Holzinger: Nichts hält sich in Österreich länger als ein Vorurteil. Durch den Erfolg der Fachhochschulabsolventen wird dieses Vorurteil Lügen gestraft. Die Fachhochschulen sind auch in ihren Forschungsleistungen sehr aktiv. Beim Einwerben von Drittmitteln gibt es keine Unterschiede zwischen Universitäten und Fachhochschulen. Ich bin seit 1998 im Fachhochschulsektor, und ich kann sagen, dieses Vorurteil nimmt ab. Auch dadurch, dass Lehrende von Universitäten an Fachhochschulen unterrichten und auch eine steigende Anzahl von Fachhochschul-Lehrenden an den Universitäten. (Lisa Kogelnik, 18.7.2015)