"Angela Merkel streichelt jedes Problem weg. Eiskalt. Gefühllos. Herzlos." Die Häme, die der deutschen Bundeskanzlerin nicht nur im Netz entgegenschlägt, ist grenzenlos. Die sonst so kontrollierte deutsche Regierungschefin hat in einer Rostocker Schule beim sogenannten Bürgerdialog mit Schülern aber auch ein PR-Desaster ersten Ranges erlebt.

Ein 14-jähriges Mädchen, das vor vier Jahren aus dem Libanon geflüchtet war, brach vor laufenden Kameras in Tränen aus, als es von seinem Leben erzählte: vom Wunsch, zu studieren, aber auch von der Angst, demnächst abgeschoben zu werden. Merkel konnte und wollte ihr nichts versprechen – schon gar keinen Aufenthaltstitel, bloß eben ein wenig streicheln.

Wenn Politiker auf Kinder oder putzige Tiere treffen, dann ist die Gefahr unterzugehen groß. So lautet eine der Regeln im politischen PR-Geschäft. Auch in Rostock waren zwei Welten zu sehen: die Kanzlerin mit ihren Regeln und Gesetzen für die Allgemeinheit und ein Mädchen mit seinen persönlichen Ängsten. Völlig klar, wer diese Veranstaltung als Buhfrau verließ.

Doch jene, die nun auf Merkel eindreschen, machen es sich einfach. Was hätte sie machen sollen? Sich über das Gesetz stellen und schnell einmal eine juristisch ohnehin nicht haltbare Einzelfall-Entscheidung nach Gutsherrenart treffen? Das wäre noch desaströser gewesen. Merkel konnte in dieser Situation nur verlieren. So etwas passiert, wenn man die Berliner Blase verlässt und hinaus zu "richtigen" Menschen mit "echten" Problemen geht. Man darf sogar unterstellen, dass selbst der als kühl geltenden Merkel die Geschichte naheging und sie einfach einmal überfordert war.

Doch dieses Zusammentreffen hat hoffentlich auf längere Sicht Folgen. Es wurde sehr deutlich, welche Probleme Deutschland mit seinen Asylgesetzen hat. Sie lassen – wie im Fall der 14-jährigen Reem aus dem Libanon – Menschen jahrelang mit ihren Ängsten in der Luft hängen, weil die Verfahren so viel Zeit beanspruchen. Im Falle der kleinen Reem konnte Merkel nicht helfen. Die Asylgesetzgebung könnte sie jedoch in Angriff nehmen. (Birgit Baumann, 17.7.2015)