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Zu Zigarren gerollter Tabak ist für Kuba ein wichtiger Devisenbringer. Künftig könnte auf der Insel sogar die ganze Wirtschaft florieren.

Foto: Reuters / Alexandre Meneghini

Ein halbes Jahrhundert dauerte die Eiszeit, jetzt dräut der Frühling: Seit Dezember 2014 gibt es wieder diplomatische Beziehungen zwischen den "Klassenfeinden" USA und Kuba – und es hat nur wenige Wochen gedauert, bis die erste große US-Delegation mit Landwirtschaftsexperten und Financiers die Insel mit elf Millionen Einwohnern besuchte. Vergessen sind die missglückte US-Attacke in der Schweinebucht und sowjetische Atomraketen; jetzt lockt "Big Business" auf der einst blühenden Insel, wo in den 1950er-Jahren das Pro-Kopf-Einkommen nach Venezuela das zweithöchste in Lateinamerika war und die durch die vom bürokratisch-autoritären Staat kontrollierte sozialistische Planwirtschaft in weiterer Folge ordentlich heruntergekommen ist.

Die Öffnung des Landes ist bereits im Gange und weckt Fantasien für Aktieninvestments. Schließlich hat das Land Bedarf nach so gut wie allem, was in der westlichen Welt als selbstverständlich gilt. Daher hat der Schweizer Finanzdienstleister Leonteq einen Index herausgebracht, der aus mindestens zwölf Unternehmen besteht, die bereits jetzt einen spürbaren Umsatzanteil in der Karibik generieren. Der Solactive Cuba-Focused Caribbean-Index (ISIN: DE000SLA0245) hat unter anderem aktuell Firmen wie den Telekom-Austria-Mehrheitsaktionär América Móvil, die Fluggesellschaften Jetblue und Copa Holdings aus Panama, Kreuzfahrtanbieter wie Royal Caribbean und die Norwegian Cruise Line im Portfolio.

Viele Märkte zu erschließen

Vor allem die Anbieter von Kreuzfahrten werden den Konsum durch die Landgänge der zahlungskräftigen Passagiere ankurbeln. Weil Exilkubaner auch gerne Geld in die alte Heimat senden, sollte auch der Zahlungsdienstleister Evertec von der Öffnung profitieren können. Der im Besitz des mexikanischen Milliardärs Carlos Slim stehenden América Móvil werden gute Chancen bei einer Öffnung des Telefonmarktes eingeräumt, weil es auf Kuba zwar ein Handynetz gibt, mit dem man jedoch noch nicht ins Ausland telefonieren kann. Handys gelten als Prestigeobjekt und sind heiß begehrt. Es gibt auf der Insel auch schon eine Art Internet mit eingeschränkten Netzzugängen; hier könnte der Telekommunikationsanbieter Atlantic Tele-Net beim Ausbau zum Zug kommen.

PriceSmart, eine Supermarktkette, ist bereits in der gesamten Karibik aktiv; eine Expansion nach Kuba wäre naheliegend und rasch umzusetzen. Wer die baufälligen Gebäude auch im Zentrum von Havanna gesehen hat – auf dem Lande ist es noch schlimmer -, wird verstehen, dass der Baustoffriese Cemex zu Recht seinen Platz im Kuba-Index hat: Allein die Restaurierung dürfte ein Milliardengeschäft sein; von Neubauten noch gar nicht zu reden.

Gesundheit und Bildung

Wer also meint, Kuba hätte außer Rum und Zigarren nichts zu bieten, der irrt. Zudem sind die Lungentorpedos tatsächlich ein Wirtschaftsfaktor und wichtiger Devisenbringer – umso mehr, wenn diese in den USA wieder legal verkauft werden können.

Das Land verfügt nicht nur über ein hochklassiges Gesundheitssystem, sondern auch ein Bildungsniveau, das einen Vergleich mit entwickelten Industriestaaten nicht zu scheuen braucht. Kuba liegt nach Zahlen des CIA-World-Factbook bei der Alphabetisierung weltweit auf dem elften Platz; weit vor den USA und den meisten großen europäischen Staaten. Die Vorzeichen stehen folglich gut, dass Kuba ein vergleichbarer Aufschwung wie jener in Osteuropa nach dem Fall des Kommunismus bevorsteht. (Reinhard Krémer, 20.7.2015)