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Zeugnisdruck: Viele Lehrer beschweren sich, dass die neue Software nicht alle Funktionen hat – dahinter steckt ein Kampf um Marktanteile.

dpa/dpaweb

Wien – Zeugnisse drucken, Schülerkarrieren verfolgen, ganze Schulen verwalten – das sollte heutzutage keine Verwaltungsaufgabe für Lehrer sein; das sollte der Computer übernehmen. Die entsprechende Software vorausgesetzt.

Diese heißt Sokrates, wurde nach einem Ausschreibungsverfahren im Frühjahr 2013 ausgewählt und hätte mit dem abgelaufenen Schuljahr 2014/15 an allen Schulen des Bundes funktionieren sollen. Hat sie aber nicht.

Lehrkräfte berichten, dass sie statt der bundesweit beschafften Software Produkte von Adobe einsetzen mussten, um Zeugnisse zu drucken. Und Hersteller von schulspezifischer Software vermuten strafrechtlich bedenkliche Vorgänge bei der Vergabe des Softwareauftrags durch das Bildungsministerium.

Ministerium zufrieden, ...

Dieses sieht aber allenfalls Kinderkrankheiten bei dem Großprojekt – und lobt seinen Einsatz: "Die Software 'Sokrates Bund' wird derzeit an 523 Bundesschulen, das sind mehr als 97 Prozent der mittleren und höheren Bundesschulen, eingesetzt. Darüber hinaus wird die Software auch an einem überwiegenden Anteil der mittleren und höheren Privatschulen eingesetzt (ca. 160 Schulen)" wurde dem STANDARD beschieden.

Dass es vor allem an Abendschulen nicht funktioniere, will das Ministerium nicht bestätigen: "Die wesentlichen Funktionen für Abendschulen sind in der neuen Software enthalten."

... die Anwender weniger

Wie der STANDARD in Erfahrung gebracht hat, sind jedoch viele Abendschulen bis dato nicht Nutzer der Verwaltungssoftware. Der Grund: Die Software ist für Tagesschulen ausgerichtet, die speziellen Anforderungen der Abendschulen erfüllt sie nicht. Während an Tagesschulen Schüler Klassen besuchen, belegen Abendschüler in der Regel eine Vielzahl einzelner Module. Dieser feine Unterschied hat zur Folge, dass Sokrates Bund für Abendschulen praktisch unbrauchbar ist. An vielen Abendschulen kommt derzeit eine Software zum Einsatz, die speziell für deren Anforderungen programmiert wurde.

Das führt zum Kern einer Auseinandersetzung, an der zwei heimische Anbieter beteiligt sind: Bit Media, ein breit in Lernsoftware aufgestelltes Unternehmen aus Graz, hat sich mit Sokrates gegen das an vielen Schulen eingesetzte Produkt Edwin des Wiener Anbieters Schiessel durchgesetzt.

Heftiger Streit und eine Hausdurchsuchung

Und hinter den Kulissen wird heftig darum gestritten, ob Sokrates wirklich die richtige Wahl war. Das Bildungsministerium zeigt sich zufrieden: "Ein Abendgymnasium, nämlich das BG/BRG Villach St. Martin, hat die gegenständliche Software bereits in Verwendung und damit erfolgreich die Reifeprüfung abgewickelt und die Zeugnisse erstellt. Ein zweites Abendgymnasium in Salzburg hat den Pilotbetrieb mit 'Sokrates Bund' erfolgreich aufgenommen. Die restlichen Abendgymnasien werden auf diese Software umsteigen, sobald der Hersteller der an diesen Schulen bisher verwendeten Software die Altdaten den betroffenen Schulen übergibt."

Um diese Daten und deren Pflege sowie den Wert dieser Datenpflege (laut Ministerium gibt es jährliche Wartungskosten von 200.000 Euro für 530 Schulen) gibt es aber heftige Auseinandersetzungen, es gibt Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft. Im Juni hat sogar eine Hausdurchsuchung stattgefunden.

Dahinter steckt ein bedeutendes kommerzielles Interesse: Nach den Bundesschulen sollen auch die (zahlreicheren und damit wertvolleren) Pflichtschulen neue Software bekommen – entweder Sokrates oder Edwin. (Katrin Burgstaller, Conrad Seidl, 17.7.2015)