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Fahndungsposter des FBI zu Mohammed Omar.

Foto: FBI via AP

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Afghanistans Präsident Ashraf Ghani schickt offizielle Vertreter in Gespräche mit den Taliban.

Foto: REUTERS/Gary Cameron

Seit 14 Jahren hat man ihn nicht mehr gesehen. Dennoch gilt Mohammed Omar, bekannt als Mullah Omar, immer noch als Führer der afghanischen Taliban. Nun hat er angeblich erstmals offen Friedensgespräche befürwortet, um den Krieg am Hindukusch zu beenden. In einer ihm zugeschriebenen Botschaft kurz vor Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan erklärt er im Internet, auch der Dialog mit dem Feind sei "legitim", wenn er "das Ende der Besatzung Afghanistans" zum Ziel habe.

Die Erklärung könnte einen Kurswechsel der Talibanspitze und ernsthaftes Interesse an Gesprächen signalisieren. Vor einer Woche hatten sich Vertreter der Taliban und Afghanistans im pakistanischen Ausflugsort Murree nahe der Hauptstadt Islamabad erstmals zu offiziellen Gesprächen getroffen, nach Ramadan ist ein zweites Treffen geplant. Bisher hatte Mullah Omar zu den Kontakten geschwiegen, Teile der Taliban lehnen Gespräche mit Kabul sogar strikt ab.

Interaktionen mit dem Feind

In der Erklärung, die laut Experten vermutlich vom politischen Arm der Taliban formuliert wurde, verteidigt Mullah Omar nun die Gespräche ausdrücklich gegen Kritik im eigenen Lager: "Nach den religiösen Bestimmungen sind Treffen und sogar friedliche Interaktionen mit dem Feind nicht verboten", erklärte er. "Es ist unser legitimes Recht, alle legalen Wege zu nutzen." Zugleich betonte er, dass die Taliban "herzliche Beziehungen" mit Pakistan und dem Iran unterhielten.

Vor allem Pakistan, das auch das Treffen in Murree organisierte, spielt eine Schlüsselrolle. Nach ihrem Sturz Ende 2011 war die Chefetage der afghanischen Taliban und auch Mullah Omar ins benachbarte Pakistan geflohen, das ihnen bis heute Zuflucht gewährt. Pakistans Geheimdienst ISI soll maßgeblichen Einfluss auf sie ausüben, manche behaupten: sie kontrollieren. Einige Experten glauben, dass Mullah Omar, wenn er überhaupt noch lebt, unter Hausarrest steht.

Mit dem Segen Pakistans

Seine Erklärung dürfte daher auch den Segen Pakistans haben. Dennoch ist der Weg zu einer friedlichen Lösung noch weit. Die Taliban beharren weiter darauf, dass die ausländischen Truppen vollständig aus Afghanistan abziehen. Die USA wollen dagegen dauerhaft am Hindukusch eine Truppenpräsenz behalten. Auch Afghanistans Präsident Ashraf Ghani braucht ausländische Hilfe, um sich an der Macht zu halten.

Doch auch die Talibanspitze steht unter Druck. Nach über einem Jahrzehnt in Pakistan muss sie um ihren Führungsanspruch fürchten. Mullah Omar selbst wirkt nur noch wie ein Phantom, ein nebulöser Geisterführer. In Afghanistan werden Zweifel lauter, ob der "Führer der Gläubigen", so sein Titel, überhaupt noch lebt – oder ob er nur noch virtuell am Leben gehalten wird, weil die Talibanspitze ohne diese einende Führungsfigur um ihre Macht und ihre Autorität fürchten muss.

Bereits jetzt sollen laut Medien Talibankämpfer in Afghanistan zusehends zum "Islamischen Staat" (IS) überlaufen und diesem Treue schwören, obwohl der IS tausende Kilometer entfernt in Syrien und im Irak sitzt. Einige Taliban werfen den Taliban-Führern vor, nur noch Marionetten Islamabads zu sein. Es ist kein Zufall, dass in der Mullah Omar zugeschriebenen Erklärung die Taliban zur Geschlossenheit ermahnt werden. (Christine Möllhoff, 16.7.2015)