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Gewerkschaften haben in Griechenland am Mittwoch zum Generalstreik aufgerufen, um gegen das neue Sparprogramm zu protestieren.

Reuters

Am Koumoundourou-Platz in Athen flogen am Dienstag die Fetzen. Der Chef des Politischen Sekretariats der Regierungspartei Syriza lief ins Lager der Gegner des neuen Sparkursabkommens über. Tasos Koronakis ließ kurz vor der entscheidenden Parlamentsabstimmung am heutigen Mittwoch Finanzminister Euklid Tsakalotos abblitzen. Der linke Wirtschaftsprofessor war zum Parteisitz von Syriza im Athener Innenstadtviertel Kerameikos gefahren und hatte die neuen Steuererhöhungen und Pensionsreformen als unausweichlich verteidigt. Andernfalls gehe Griechenland bankrott. Koronakis sagte Nein. Er werde nicht zulassen, dass Syriza eine Partei werde, die Sparmemoranden unterschreibe.

Damit geht Regierungschef Alexis Tsipras mit einer gespaltenen Partei in die Abstimmung. Die anderen Staats- und Regierungschefs der Eurozone hatten ihn in der Nacht zu Montag gezwungen, bis Mittwochabend ein halbes Dutzend Gesetze durchs griechische Parlament zu bringen – als Vorleistung für die Aufnahme von Verhandlungen über ein drittes großes Kreditprogramm nach jenen von 2010 und 2012.

Versagte Gefolgschaft

Rund 30 der 149 Syriza-Abgeordneten dürften Tsipras die Gefolgschaft versagen. Auch die 17 Parlamentarier des rechten Koalitionspartners Anel (Unabhängige Griechen) werden sich möglicherweise enthalten. Die Fraktion werde nur jenen Punkten in diesem Notgesetz zustimmen, die schon in dem Finanzplan enthalten waren, mit dem Tsipras und sein Finanzminister am vergangenen Wochenende nach Brüssel gegangen waren.

Der hastig zusammengeschriebene Gesetzesentwurf sollte noch am Dienstagabend ins Parlament eingebracht werden. Dann gibt es aber noch die Parlamentspräsidentin selbst: Zoe Konstantinopoulou, die rabiate Syriza-Politikerin, steht ebenfalls im Lager der Gegner des Sparmemorandums. Sie könnte die Abstimmung noch im letzten Augenblick mit Geschäftsordnungstricks verzögern.

Abgesagtes Treffen

Tsipras hat am Dienstag die Überredungsversuche in seiner Linkspartei aufgegeben und sich auf die nächsten Schritte mit den Kreditgebern nach der Abstimmung konzentriert. Ein ursprünglich für den Morgen anberaumtes Treffen mit der Parlamentsfraktion wurde abgesagt. Denn die Mehrheit im Parlament steht trotzdem für das Gesetz, das den Titel "Notmaßnahmen für die Verhandlung und Übereinkunft mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)" trägt: Die drei größten Oppositionsparteien – die konservative Nea Dimokratia, die liberale To Potami und die Sozialisten der ehemals großen Regierungspartei Pasok – sicherten zu, dass sie für das Notgesetz stimmen werden.

Lebensmittel werden teurer

Das Gesetz enthält unter anderem einen Beschluss über die sofortige Neufassung der Mehrwertsteuer. Dabei kommen verarbeitete Lebensmittel wie Wurst oder Marmelade in den Hauptsteuersatz von 23 Prozent und werden teurer, ebenso wie Essen im Restaurant. Die Unternehmenssteuer steigt von 26 auf 28 Prozent, wobei statt bisher 50 nun gleich 100 Prozent als Vorsteuer zu entrichten sind; dies gilt für alle Selbständige und dürfte die Arbeitstätigkeit gering Verdienender noch weiter erschweren. Pensionisten müssen einen höheren Beitrag zur Krankenkasse abführen; die Sozialhilfe für Bezieher kleiner Pensionen unter 460 Euro verschwindet.

Das Ergebnis der Brüsseler Verhandlungen und der Umgang mit Regierungschef Tsipras sind in Griechenland wie international zum Teil heftig kritisiert worden. Der US-Historiker Thomas Gallant nannte es das "am stärksten verkrüppelnde Abkommen, das einem Land seit dem Vertrag von Versailles" aufgezwungen wurde.

Eine Regierungsumbildung soll es Mittwochabend, nach der Parlamentsabstimmung, geben. (Markus Bernath aus Athen, 15.7.2015)