Die Doppelbestattung aus der Altsteinzeit aus nächster Nähe: Die Anthropologen des Naturhistorischen Museums untersuchen den Fund nun im Detail.

Foto: NHM / Kurt Kracher

Wien – Vor mittlerweile zehn Jahre haben Archäologen der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ein neues Grabungsprojekt in Krems-Wachtberg begonnen. Aus Bohrungen wussten sie nur von einer altsteinzeitlichen, nur rund zehn Zentimeter starken Kulturschicht in fünf Metern Tiefe – mehr nicht. Schon nach wenigen Monaten stießen sie unter dicken Lössschichten auf einen einzigartigen Fund: eine altsteinzeitliche Doppelbestattung von Kleinkindern.

"Einzigartig deshalb, weil man bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Skelette von Kleinkindern bis drei Jahren aus der Zeit des frühen Homo sapiens gehabt hat. Zudem waren es die ersten Skelette aus der Altsteinzeit, die man in Österreich gefunden hat", sagte Christine Neugebauer-Maresch vom Institut für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW, die 2006 über den Fund im Fachjournal "Nature" berichtete. Das zunächst mit konventioneller Radiokarbonmethode ermittelte Alter des Fundes von 27.000 Jahren wurde mittlerweile auf 32.000 Jahre korrigiert.

Bestattung unter dem Mammutschulterblatt

Die zwei Kinder, in etwa gleich groß und möglicherweise zur gleichen Zeit gestorben, wurden am Rand eines Lagerplatzes in einer Mulde bestattet und in Rötel – einem roten Farbstoff – gebettet. Dies entsprach dem aus Erwachsenengräbern bekannten Bestattungsritus der damaligen Zeit. Die Körper wurden mit einem Mammutschulterblatt abgedeckt. "Das hat den Erddruck und teilweise auch die Feuchtigkeit abgehalten, was den hervorragenden Erhaltungszustand des Fundes erklärt", sagt die Archäologin.

Dennoch war eine unbeschadete Bergung des fragilen Funds nicht möglich. Die Wissenschafter entschieden sich daher, die Skelette samt den umgebenden Erdschichten als Block zu bergen. So gelangte der Fund zu den Anthropologen des Naturhistorischen Museums Wien (NHM).

Zunächst wurde der Fund konserviert und in einer Klimakammer langsam ausgetrocknet. Für weitere Analysen wurden bereits Objekte wie Teile einer Perlenkette entnommen, die den Kindern mit ins Grab gegeben wurde. Viele Informationen erhofften sich die Wissenschafter von einer Computertomografieuntersuchung, "doch wir mussten feststellen, dass die Qualität der Bilder nicht ausreichte", sagte Maria Teschler-Nicola, Leiterin der Anthropologieabteilung im NHM.

Gescheiterte Scans

Grund dafür war der hohe Kalkgehalt des Lösses, der keine detailreichen Abbildungen der winzigen Knochen erlaubte. Eine Untersuchung in einem Mikro-CT mit sehr hoher Auflösung scheiterte an der Größe des Erdblocks.

Bei der nun startenden Arbeit wollen die Wissenschafter immer tiefer in den Erdblock gehen und dabei Stück für Stück, Knochen für Knochen entnehmen. Jeder Schritt der Ausgrabung wird von einem speziellen Scanner dokumentiert, Lage und Form jedes Knöchelchens, Einzelheiten der Rötelfärbung sowie Beigaben werden so festgehalten.

Die Ausgrabung wird damit erstmals Zugang zur bisher unbekannten Unterseite der Skelette und zur Grabsohle ermöglichen. Von jedem Knochen wollen die Forscher Mikro-CT-Aufnahmen und daraus dreidimensionale Rekonstruktionen anfertigen. In Verbindung mit den Daten des Oberflächenscans soll so eine vollständige 3D-Rekonstruktion des Funds entstehen. (APA, red, 15.7.2015)