Österreichische Finanzpolizisten stemmen sich hinter dem ungarischen Sopron gegen den Pendlerstrom von "Hereinarbeitern" ohne vorgeschriebene "Entsendemeldung" durch EU-ausländische Unternehmen.

Foto: Wirtschaftskammer

Klingenbach/Klimpuh – Gleich hinter Siegendorf/Cindrof geht es, Klingenbach/Klimpuh rechts liegen lassend, hügelan. Oben war einst die Block-, dann die Staats-, dann die Schengen- und jetzt immerhin noch die Kollektivvertragsgrenze zu Ungarn. Die aber merkt der normal Reisende nur an den alten Gebäuden – in ihrer bösen, hässlichen Einschlägigkeit eine Art Memento mori für ganz Europa – und der Geschwindigkeitsbeschränkung. Es sei denn, die Wirtschaftskammer hat Polizei und Finanzpolizei zu Hilfe gerufen, um, wie Montagfrüh, nachzuschauen, ob alles auch eh seine gute Ordnung hat.

Hat es oft nicht, wie die drei Institutionen bei einem frühmorgendlichen Presse-Lokalaugenschein oben auf dem Hügel – wie sagt man dazu? Passhöhe? – darlegten, während die Pkw- und Klein-Lkw-Kolonne sich nach Ungarn rückstaute bis beinahe Sopron/Ödenburg hinein. Zum wiederholten Mal wurde so versucht, schwerpunktmäßig vorzugehen gegen jene Unternehmen aus dem EU-Ausland – Ungarn und Rumänien in der Hauptsache –, die das österreichische Lohn- und Sozialdumpinggesetz unterlaufen möchten.

Schwerpunktkontrollen

Wilfried Lehner, Chef der österreichischen Finanzpolizei, hat klarerweise Erfahrung, war von den Schwerpunktkontrollen an sieben burgenländischen Grenzübergängen dennoch überrascht: "Unsere unangenehmen Erwartungen wurden übertroffen. Es gibt zu viele Dienstnehmer, die aus dem EU-Ausland nach Österreich hereinarbeiten ohne die entsprechenden Dokumente, ohne die entsprechenden Entsendemeldungen, aber natürlich auch ohne die entsprechende Bezahlung."

Ausländische Firmen, die Aufträge in Österreich übernehmen, müssten auch nach österreichischem Kollektivvertrag bezahlen. Die entsprechenden Dokumente – "Entsendemeldungen" eben zum Beispiel – müssten vorgelegt werden. So sollte die Unfairness aus dem grenzüberschreitenden Markt genommen werden.

Steigendes Hereinarbeiten

Das funktioniert allerdings nur zum Teil. Allein das legal gemeldete "Hereinarbeiten" hat sich dramatisch entwickelt. 2010 wurden 26.000 Arbeitnehmer "entsandt", heuer sind es bereits 114.000. Und Wilfried Lehner schätzt, dass da "ein Drittel Schwarzarbeiter" noch dazukommt. Denen natürlich schwer beizukommen ist. Es gilt grundsätzlich ja der freie Personen- und Warenverkehr. Hört der Finanzer allerdings aus einem mit Malerutensilien vollgeräumten und mit entsprechendem Personal besetzten 7,5-Tonner, man sei halt bloß auf der Durchreise, so dürfe man schon auch Verdacht schöpfen und nachbohren.

Bisher wurden rund 450 Betriebe kontrolliert, so Lehner. "90 sogenannte Feststellungen konnte man vor Ort treffen, 120 weitere bei Nachkontrollen auf Baustellen oder auswärtigen Betriebsstätten im Inland. Allein der heutige Tag hat wieder gezeigt, dass wir jetzt in etwa 110 Dienstnehmer kontrollieren konnten." Strafen von 3.600 bis 10.000 Euro drohen im Fall des Erwischtwerdens.

Tropfen auf einen zunehmend heißer werdenden Stein

Bei österreichweit 500 Beamten immer noch bloß ein Tropfen auf einen zunehmend heißer werdenden Stein, wie Wirtschaftskammer-Burgenland-Präsident Peter Nemeth meint. Doch Nemeth sagt auch: "Wir leben in einem freien Europa, und das wollen wir auch. Wir wollen keine Grenzkontrollen haben. Nur: Nicht jeder, der zwischen halb fünf und halb neun Uhr über die Grenze fährt, hält sich an die Spielregeln." Und zwar in folgender zeitlicher Abfolge ab halb fünf: "Erst die Handwerker, dann die Putzfrauen, dann die Kellnerinnen und Kellner."

Nemeth, der die Kunst beherrscht, sein ganzes Gesicht in ein Lächeln zu verwandeln, das man vielsagend nennen kann, betont die europäische Grenzenlosigkeit nicht zufällig. Am Freitag vergangener Woche hat ja der frisch ins Amt gelobte blaue Landeshauptmann-Vize Johann Tschürtz, zuständig für "Sicherheit", zu einer "indirekten Grenzkontrolle" gerufen. Hans-Peter Doskozil, Polizeichef des Burgenlands und einst Büroleiter von Landeshauptmann Hans Niessl, stellte aber klar, dass "Grenzkontrollen", seien sie auch "indirekt", nicht möglich seien. Und deshalb auch keine diesbezüglichen – Tschürtz blickt streng in einen indirekt grenzkontrollierten Kofferraum – Fotografien.

Hätte man ihn nicht wenigstens zur montägigen Lohn- und Sozialdumpingkontrolle laden können? Peter Nemeth lächelt. (Wolfgang Weisgram, 14.7.2015)