Zu Beginn der Wellenklaenge in Lunz gehören akrobatische Sensationen zur schönen Tradition: Bevor Christian Mühlbacher's "USW,..." loslegte, berückten die tollkühnen Menschen von Cirk La Putyka.

Foto: Wellenklänge

Lunz am See – Operntheater ist nicht gerade ein vordringliches Anliegen der Lunzer Wellenklaenge: Das einzigartige Bühnenbild, das sich zum Finale der Eröffnung durch eine Intervention der Natur ergab, hätte indes jeder Lohengrin-Inszenierung zur Ehre gereicht. Während also Christian Mühlbachers Big Band USW,... ihre Klangwucherungen Richtung Nachthimmel schickt, ward auf dem See ein weißer Schwan gesichtet, der in respektabler Entfernung womöglich neugierig den Klängen lauschte.

Er wirkte nicht beunruhigt ob der Musik, deren Intensität es in sich hatte. Da sind anfänglich frei erspielte, unheimliche Soundgewitter, die nach und nach Struktur erlangen und – zur vollen Pracht aufgeblüht – eine Formation zeigen, die (mit zwei Percussionisten und dem Bandleader am Schlagzeug) so herzhaft wie diszipliniert groovt.

Stilistisch ist alles sehr offenherzig angelegt: Da klingt manches nach spanischer Fiesta, dann wieder nach Verzückung der Rock-Art. Auch frühe Fusion in der Konzeption von Miles Davis ist möglich; und bisweilen klingt es einfach nach einem ausgelassenen Riesen, dessen organisierte Unruhe auf einen produktiven "Fight" zwischen kollektiver Disziplin und individuellem Bedürfnis nach Exaltation verweist. Kein fauler Kompromiss ist aber zu hören. Nur Direktheit und Drive.

Im Kollektiv sicher

Das Verhältnis Individuum/Kollektiv spielt auch bei den sympathischen Akrobaten von Cirk La Putyka eine Rolle: Sie demonstrierten nicht nur ihre Temperaturresistenz, indem sie tollkühn ins vermutlich kühle Nass sprangen, um u. a. Wasserballettparodien zu zelebrieren. Auch am Festland berückten spektakuläre Flugkunststücke, bei denen der Einzelne immer auch im Rhythmus des Kollektivs verweilen musste, um für das unfallfreie Gelingen der Kunststücke zu sorgen. Zwischendurch führte all die elegante Mühe zur Errichtung eine Menschenpyramide. Ein Moment des Applauses und der Ruhe quasi – für alle, bis auf den Lastenträger natürlich.

Das Individuen vereinende Pyramidenbild mag auch für das Motto des von Suzie Heger geleiteten Festivals gelten, das um den Begriff "Wahlverwandtschaften" kreist und noch einige markante Künstler präsentiert: Da wäre die Band Strings & Bass rund um Georg Breinschmid; da wäre der tolle russische Jazzhornist Arkady Shilkloper und die US-amerikanischen Singer-Songwriterinnen des American Songbirds Festivals. Zudem gibt es einen Auftritt des Puppenspielers Nikolaus Habjan, der Musicbanda Franui sowie der vier Mundharmonika-Visionäre von Sväng, die aus Finnland kommen.

Dem Festivalmotto folgend, werden auch die Fragen nach den Beziehungen zwischen den Menschen explizit beim dreiteiligen Theaterprojekt Die Wahl im Mittelpunkt stehen: Jacqueline Kornmüller und Peter Wolf laden Menschen aus Lunz am See selbst auf die Bühne, um deren Beziehungen und Verwandtschaften zu hinterfragen. Die Wellenklaenge wollen diskursiv und aufregend wirken – in Wort und Ton. (Ljubisa Tosic, 13.7.2015)