Ein Stromausfall darf ein "Smart Home" nicht unbewohnbar machen, sagt Marius Marek von Integius.

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Man stelle sich das so vor: Ein Pärchen rekelt sich genüsslich im Bett. Im selben Moment schaltet sich wie von Geisterhand das Radio im Badezimmer ein. In der Küche gehen die Jalousien hoch, der Toast wird zum Selbstbräuner, und das Ei köchelt auf die Sekunde genau. Die Kaffeemaschine gurgelt, ohne von Menschenhand berührt worden zu sein, und der Kühlschrank vermeldet mit samtener Stimme, dass sich der Bestand an Milch dem Ende zuneigt und Nachschub online bestellt würde. Spätestens seit der Frühstücksmachmaschine aus dem Film Tschitti Tschitti Bäng Bäng (1968) träumt so mancher vom vollautomatischen Haushalt, dem Butler 2.0. Inzwischen sind Begriffe wie "Smart Home" oder "intelligentes Wohnen" längst keine Fremdworte mehr und haben sich aus dem Träumeland in Richtung Realität bewegt. Doch wie weit?

Ein Butler zum Drauftapsen ist das grafische Bedienterminal vom Gebäudesystemtechnik-Unternehmen "Gira". Mit so einem Zauberkästchen lässt sich ein komplettes Haus beziehungsweise Abläufe darin steuern.
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Im Prinzip geht es bei der ganzen Angelegenheit darum, dass vernetzte Technik dem Menschen private als auch berufliche Aufgaben abnimmt. Die intelligente Technik bezieht sich auf Vorgänge bezüglich Sicherheit, Komfort und Unterhaltung. Bluetooth, WLAN, Wi-Fi, Ethernet und andere Netzwerkverbindungen heißen die stummen Diener des Netzwerkes. Ran an den großen Kuchen wollen Giganten wie Apple ebenso wie Google oder Quivicon. Doch wer hat die Wohnung schon gesehen, in der wie in einer alltagstauglichen Hightech-Geisterbahn Dinge geschehen, ohne dass ein Finger gekrümmt werden muss, sehen wir von einem kleinen Tapser auf das Smartphone ab. Doch was will der Mensch aus der Hand geben, und wann wird die Sache zu spooky?

Liebgewonnene Rituale

Beim Wiener Unternehmen Integius Systems GmbH nachgefragt, was denn nun wirklich Sache ist, bekommt man einige Antworten. Die Firma bietet Systeme, die gewünschte Lichtszenarien per Knopfdruck zaubern, Jalousien rauf- und runterfahren lassen, Überwachungsaufgaben in Sachen Einbruch oder Feuer übernehmen, aber auch in Sachen Energiehaushalt und Unterhaltungselektronik mitmischen. All das geschieht über ein Touchpanel, das in der Wand sitzt oder in einer mobilen Variante verfügbar ist, aber auch, und das ist Geschäftsführer Marius Marek wichtig, über analoge Bedienungsmöglichkeiten, mit welchen komplexe Szenarien im Hintergrund abrufbar werden. Das heißt, der lieb gewonnene Lichtschalter oder das Schnürchen an der Nachttischlampe fliegen nicht unbedingt raus. Und das ist eine gute Nachricht für all jene, die fürchten, das Smart Home sei eine undurchschaubare Düsentriebbehausung, die liebgewonnenen Ritualen den Garaus macht.

Bisher, sagt Marek, ist das Thema vor allem eines im Bereich der Luxusimmobilien. Dazu zählt der Fachmann Wohnungen im Wert von ein, zwei Millionen Euro aufwärts. "In diesen Fällen ist es mittlerweile State of the Art, dass man sich etwas in Richtung Haussteuerung und Medientechnik einbauen lässt." Die Durchdringung sei noch nicht wahnsinnig ausgeprägt. Woran es in erster Linie hapert? "Smart Home ist ein Integrationsthema, bei dem viele Haustechnik systeme miteinander vernetzt werden müssen. Die Standards sind zwar oft theoretisch vorhanden, aber die Umsetzung in der Koordination ist eine komplexe und aufwendige Angelegenheit. Da braucht es Betreuung durch Profis." Dass die kostet, ist klar. Ab 7.000 Euro ist man bei komplexeren Lösungen dabei, so der Techniker. Nach oben hin ist die Geldfrage, wie so oft, eine offene.

Einen Wendepunkt hin zu einer deutlich größeren Durchdringung des Marktes sieht Marek in der Möglichkeit der Nachrüstung bestehender Wohnobjekte durch den staubfreien Umbau von bestehenden Elek troinstallationen.

Zu haben sind neben den Super-Smart-Homes (für deren Technik auch mal mehrere 100.000 Euro hingeblättert werden) auch günstigere Insel- beziehungsweise Einzellösungen: zum Beispiel Google-Nest für eine Heizungslösung um ein paar Hundert Euro. In diesem Fall empfiehlt es sich allerdings, über ein gewisses technisches Verständnis und den Willen zur technischen Spielerei zu verfügen. Laut einer Studie von Capgemini Consulting geht das Bedürfnis jedoch in jene Richtung, dass eine Smart-Home-Lösung möglichst aus einer Hand kommen soll, das heißt, der Kunde möchte sich in der Regel nicht mit mehreren Anbietern einzelner Systeme befassen.

Auch bei Gira, einem Unternehmen, das zu den führenden Herstellern von Elektro – in stallationstechnik und Gebäudesystemtechnik Deutschlands gehört, hat man Grund die Hände zu reiben, denn Franz Einwallner, Verkaufsleiter für Österreich, berichtet von einer jährlich steigender Nachfrage auf Messen. "Jeder geht heute mit einem Smartphone durchs Leben, es liegt auf der Hand, dass mit fortschreitender Technik Abläufe im Haus mit diesem gesteuert werden." Die Bedürfnisse sieht Einwallner breit gefächert, wenngleich das Thema Sicherheit einen ganz besonderen Stellenwert einnimmt. Im konkreten Fall zeigt das Smartphone, dass alle Fenster geschlossen sind, alles ausgeschaltet und die Alarmanlage eingeschaltet ist.

Schluss mit lustig

Bei Kühlschränken, welche die Milch nachbestellen, hört sich für Marius Marek von Integius der Spaß auf. "Den braucht niemand, denn immer dort, wo die Technik beginnt, den Menschen zu bevormunden, wird es absurd. Jede Aktion muss klar nachvollziehbar sein." Ähnlich sieht man das bei Gira: "Wenn das Haus zu arbeiten beginnt, ohne den Nutzer darüber zu informieren, also wenn zum Beispiel ein Kühlschrank das Menü für das Abendessen zusammenstellt, dann werden Grenzen überschritten." Berührungsängste seitens Neukunden ortet Franz Einwallner vor allem in technischen Belangen. Menschen haben Bedenken, dass das Ganze nicht reibungslos funktioniert. Und was tut man bei Gira gegen solche Ängste? "Wir haben sogenannte Systemintegratoren, das sind ausgebildete Partner, Elektrotechniker, welche die Technik handelbar und verständlich machen. Die Leute wollen keine langen Bedienungsanleitungen lesen, ein Großteil der Anwendungen soll einfach selbsterklärend sein."

Stellt sich freilich die Frage nach dem Stromausfall. Während Otto Normalwohner in einem solchen Falle noch immer die Wohnungstüre auf- und zusperren kann und er es sich halt ein Weilchen bei Kerzenlicht gemütlich machen muss, dürfte der Smart-Home-Bewohner doch eher nervös werden, wenn nichts mehr geht. Nach zehn Jahren Erfahrung in der Branche (dazu gehören auch Stromausfälle), spricht Marius Marek davon, dass es für jedes System auch eine Notfallbedienung geben muss. "Schlimmstenfalls kann der Bewohner seine Wohnung nicht mit dem Smartphone aufsperren, sondern muss ausnahmsweise einen Schlüssel benützen, den er in der Wohnung deponiert hat. Ein Stromausfall darf ein Smart Home nicht unbewohnbar machen", so Marek.

Man kann sich also vorfreuen oder die Nase rümpfen angesichts dieser Zukunft, die immer deutlicher an immer mehr Haustüren klopft. Wichtig scheint bereits im Vorfeld klarzustellen, wer der Herr im Hause ist – und bleibt. (Michael Hausenblas, Rondo Digital, 17.7.2015)