Es ist der finale Showdown, seit Sonntag, 16 Uhr, ringen die Staats- und Regierungschefs in Brüssel um eine Lösung der Griechenland-Krise. Die Dauer der Verhandlungen zeigt, niemand macht es sich leicht. Es ist aber auch nicht einfach, eine Einigung zu finden, zu tief sind die Gräben. Es geht längst nicht mehr "nur" um Griechenland, es geht um viel mehr.

Griechenland wird von den Gläubigern fast Unmögliches abverlangt: Bis Mittwoch sollen sechs Reformmaßnahmen im Athener Parlament beschlossen werden, darunter so massive Einschnitte wie die Anhebung der Mehrwertsteuer und die Reform des Pensionssystems, das eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre vorsieht. Außerdem soll das Justizsystem reformiert, die Unabhängigkeit der Statistikbehörde gestärkt und die EU-Regeln zur besseren Kontrolle des Finanzsektors umgesetzt werden.

Diese konkreten Reformprojekten verlangen die Euro-Finanzminister als Vorleistung dafür, dass wieder über neue Hilfszahlungen für Griechenland verhandelt wird. Ihr Papier, das die Gesprächsgrundlage für die 19 Staats- und Regierungschefs am Sonntagabend war, sieht auch "quasi-automatische" Ausgabenkürzungen vor, wenn die Regierung von ambitionierten Zielen zum Erreichen von Primärüberschüssen – dem Staatshaushalt ohne Zinszahlungen – abweicht.

Bis zum Schluss wurde auch über die Rolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) gerungen und wie mit Privatisierungen umgegangen werden soll. Das sind massive Daumenschrauben, die die Europartner, allen voran Deutschland, hier anlegen.

Vertrauen und Glaubwürdigkeit fehlen

In dem Brüsseler Papier ist viel von Vertrauen und Glaubwürdigkeit, die wieder aufgebaut werden müssten, die Rede. Denn schon Syrizas-Vorgängerregierungen haben viel versprochen und wenig gehalten. Premier Alexis Tsipras gilt seit der Ankündigung eines Referendums als unsicherer Kantonist. Er hat mehrfach einen Kurswechsel vorgenommen.

Außerdem verweigern ihm Teile seiner Partei die Gefolgschaft, ein Tausch der Minister und sogar Neuwahlen werden in Griechenland diskutiert. Die Gläubiger wollen sich absichern und nicht noch einmal mit einer Liste an Reformen zufrieden geben. Sie verlangen im Gegenzug zu weiteren Finanzhilfen Garantien in Form von Beschlüssen und konkrete Zeitpläne zur Umsetzung.

Vor allem Deutschland hat den Druck an diesem Wochenende massiv erhöht und zwar mit handfesten Drohungen: Finanzminister Wolfgang Schäuble hat ein Positionspapier in Umlauf gebracht, in dem die Option eines Grexit auf Zeit, eines Ausscheidens Griechenlands aus der Währungsunion für fünf Jahre, erwähnt wird. Weiters wurde von Deutschland die Schaffung eines Treuhandfonds mit Vermögenswerten des griechischen Staates in Höhe von 50 Milliarden Euro, der zur Schuldentilgung herangezogen werden soll, in die Diskussion eingebracht. Für Griechenland, aber auch Teile der Europartner ging das zu weit: Genug ist genug, rief Italiens Premier Matteo Renzi.

Deutschland gegen Frankreich

Hardliner Deutschland hat noch einmal nachgelegt, Frankreich hat sich dagegen auf die Seite Griechenlands und der Südländer geschlagen. Es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass die beiden Länder nicht an einem Strang ziehen, wenn es um wichtige Entscheidungen in der EU geht. In Brüssel geht es auch um die Frage, ob sich Frankreich diesmal durchsetzt. Oder es doch wieder umgekehrt läuft und Deutschland weiter den Ton in Europa vorgibt. (Alexandra Föderl-Schmid, 12.7.2015)