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Frankreichs Finanzminister Sapin kann Schäubles Höhenflug nicht ganz folgen, Finnlands Stubb findet auch nicht, dass alles Gute von oben kommt.

Foto: EPA/Hoslet

"Ein Ausstieg Griechenlands aus der Eurozone stünde im Widerspruch zu allen Entscheidungen, die Frankreich getroffen hat", meinte Premierminister Manuel Valls vergangene Woche, um so kategorisch wie möglich anzufügen: "Ich weigere mich, und Frankreich weigert sich, dass Griechenland aus dem Euro aussteigt." Nicht minder deutlich äußerte sich Präsident François Hollande: "Frankreich unternimmt alles, damit Griechenland in der Eurozone bleibt, und scheut keinen Aufwand, um am Schluss doch noch ein Abkommen zu erzielen."

Die neuen griechischen Vorschläge waren vergangenen Donnerstag kaum publik, da lobte sie Hollande bereits als "seriös und glaubwürdig". Kein Wunder, sie haben französische Köche. Mehr als ein Dutzend Spitzenbeamter sorgte in Brüssel und Athen dafür, dass der neue Sparplan von Premier Alexis Tsipras in Brüssel durchgehe. Die Franzosen schauten den griechischen Ökonomen dabei nicht nur über die Schulter; sie gaben ihnen zum Beispiel ein, wie hoch sie die Mehrwertsteuersätze anlegen sollten, um das Plazet der Gläubiger zu erhalten.

Paris mobilisiert seine Kanäle

Aus Erfahrung und dank guter Kontakte weiß man in Paris sehr genau, was die deutsche Regierung oder der Internationale Währungsfonds gerade noch schlucken würden. Sogar die Zeitung "Le Monde" staunte: "Der Einsatz des Präsidenten (für eine Lösung der Griechenland-Krise, Anm.) scheint keine Grenzen mehr zu kennen. Herr Hollande kümmert sich nur noch darum." Ein Élysée-Berater fügt an: "Ich habe Frankreich noch nie so involviert erlebt." Paris mobilisiert auch seine Kanäle nach Berlin.

Hollande engagiert sich so massiv, weil er in einem Atemzug die Führungsrolle von Kanzlerin Angela Merkel und die europäische "Austerität" infrage stellen kann. Doch der linke Philosoph Etienne Balibar fragt darüber hinaus: "Warum verfolgen die Franzosen die griechische Krise mit einer Leidenschaft, als hinge ihr eigenes Los davon ab?" Hinter Hollandes und Valls' imperativen Erklärungen verbirgt sich eine gute Dosis Angst vor einer Kettenreaktion. Die konservative Zeitung "L'Opinion" nennt es "den sanften Schauder vor dem Frexit", dem französischen Euroausstieg.

Der Ausdruck mag übertrieben sein. Unbestreitbar ist aber, dass sich die französische Staatsschuld in Windeseile der Schwelle von 100 Prozent des Bruttoinlandprodukts nähert. In Zahlen beträgt sie ein Vielfaches der griechischen Schulden, nämlich mehr als 2.000 Milliarden Euro. Der Pariser Trésor (Schatzamt) zahlt dafür Zinsen, die so hoch liegen wie der ganze Bildungsetat Frankreichs. Und das, obwohl seine Zehnjahresanleihen nicht viel teurer sind als die deutschen. Nicht auszudenken, was geschähe, wenn die Zinsen dafür plötzlich stiegen.

Präsident Hollande will den Anfängen wehren. Denn ein Grexit könnte, so die Befürchtung vieler Ökonomen, den Schuldenfokus auf andere Länder wie Portugal oder Italien und indirekt auf Frankreich lenken. Aus diesem Grund ist er bereit zu allem – außer einem Grexit. (Stefan Brändle aus Paris, 12.7.2015)