Seit einigen Jahren ist ganzjähriges Wohnen im Wiener Kleingarten erlaubt. Viele bauten ihre Hütten zu Häusern aus, die meisten (siehe oben) halten sich an Gesetze – aber eben nicht alle.

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Friederike Vanc kämpft gegen die Verhüttelung der Kleingärten.

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Kleingärten sind beliebt, bieten sie doch viel Grün in der Stadt oder in Stadtnähe. Sie dienen so der Ruhe und Erholung ihrer Pächter und auch ein wenig zu deren Versorgung mit Gemüse – solange das Garteln nicht "erwerbsmäßig" erfolgt, denn dies ist laut den einschlägigen Gesetzen untersagt (und ginge sich auf den meist um die 300 m² großen Parzellen wohl auch gar nicht aus).

Ruhe und Erholung also. Ein begehrtes Gut in Zeiten von zunehmendem Stress und Burnout. "Die Nachfrage nach Parzellen ist immens groß", bestätigt Wilhelm Wohatschek, Präsident des Zentralverbands der Kleingärtner und Siedler Österreichs, im Gespräch mit dem STANDARD. 44.000 Mitglieder hat der Verband, das Gros davon in Wien, knapp 27.000. "Man kann im Grünen, aber dennoch im Stadtbereich wohnen, zu einer geringen Pacht übers Jahr gesehen", zählt Wohatschek die Vorteile eines Kleingartens auf.

Ausreizung der Wohnfläche

Mit der Ruhe kann es allerdings schnell vorbei sein – nämlich dann, wenn sich jemand nicht an die baulichen Spielregeln halten will. Das kommt nicht so selten vor, zumal es etwa in Wien seit einigen Jahren die Widmung "Grünland – Erholungsgebiet – Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" gibt, wo auch ein Hauptwohnsitz angemeldet werden kann. Das verführt, groß zu bauen. Manchmal wird es dann eben größer als erlaubt, weil die Kubatur mehr als ausgereizt und so noch der eine oder andere Quadratmeter herausgeholt wird.

Wohatschek kennt das Problem. Dass die Gesetze zu schwammig seien, glaubt er nicht. Eigentlich sei "alles bestens definiert": Maximaler umbauter Raum, maximale Höhe, maximale bebaute Fläche – sowohl absolut als auch in Relation zur Parzellengröße. Doch viele würden sich schlicht "nicht um die Gesetze kümmern", klagt der Kleingärtner-Präsident.

Keine Abnahmen in Wien

Speziell in Wien sieht er zudem ein großes Problem in dem Umstand, dass die Baubehörden seit einigen Jahren Abnahmen nicht mehr selbst durchführen, sondern von Zivilingenieuren erledigen lassen. "Diese müssen bestätigen, dass ordnungsgemäß gebaut wurde. Das können also die jeweiligen Planer selbst sein."

Pauschal will der Präsident seine Klientel natürlich nicht der rechtlichen Ignoranz zeihen. Es seien "Einzelfälle", aber diese würden eben dennoch für – oft jahrelangen – Ärger sorgen. Denn, und das weiß Wohatschek auch: "Wenn etwas nicht so ausgeführt wurde, wie es sollte, ist das für die Anrainer ein dornenvoller Weg."

Kleinkrieg in der "Seeschlacht"

Friederike Vanc kennt diesen Weg sehr gut. Die rüstige Pensionistin aus Langenzersdorf nördlich von Wien ist seit 1979 Obfrau des Kleingartenvereins "Seeschlacht". Seit einem Jahrzehnt befindet sie sich im Kleinkrieg mit einem Pächter.

Laut dem niederösterreichischen Kleingartengesetz dürfen in der Seeschlacht maximal 37 m² große "Kleingartenhütten" errichtet werden. Bis 1999 war allerdings ein paar Jahre lang eine Ausnahmeregelung in Kraft, die 50 m² erlaubte. In dieser Zeit wurden einige größere Objekte errichtet, mitsamt großzügiger Terrassen. Und einige dieser Terrassen wurden wiederum später, als dies schon nicht mehr erlaubt war, unterkellert oder zu Wintergärten ausgebaut. Der Bürgermeister erwirkte Abbruchbescheide, die nach jahrelangen Streitigkeiten durchgesetzt werden konnten.

Die Fälle sorgten für Aufsehen, zweimal war das "Am Schauplatz"-Team des ORF in der Seeschlacht. Die Obfrau wurde dabei vom Kameramann im Bikini überrumpelt und im Beitrag als eher missmutige Erbsenzählerin dargestellt. Auch die "Kronen Zeitung" schrieb über den Fall, mit dem Tenor, dass man hier doch Gnade vor Recht ergehen lassen könne. Als Grund dafür vermutet Vanc die Tatsache, dass ihr Kontrahent, Herr E., bei dieser Zeitung arbeitet.

Seitenwand als Streitobjekt

Dennoch wurde der Wintergarten der Familie E., der auch nach Ansicht der Gemeinde illegal war, im Herbst 2014 nach jahrelangem Streit zunächst entfernt. Es kam damals zu einem Teilabbruch des gesamten Objekts, weshalb Vanc überhaupt der Meinung ist, eine neue Baubewilligung müsse her, die dann wohl nur noch 37 m² Wohnfläche erlauben dürfe.

Die rund 15 m² große Terrasse soll aber weiterhin überdacht werden, und dies scheint nun plötzlich auch möglich zu sein. Eine frei stehende überdachte Konstruktion, ähnlich einem Carport, soll nun an das bestehende Objekt angebaut werden. Zur Klärung der Frage, ob diese Konstruktion dem Gesetz entspricht, hat die Gemeinde das Gebietsbauamt Korneuburg zurate gezogen. Dessen Leiter Johann Baumgartner hat in einem Gutachten festgestellt, dass diese Konstruktion nicht als Erweiterung der Wohnfläche angesehen werden könne. Gegenüber dem STANDARD will er sich zu dem laufenden Verfahren nicht äußern und verweist zudem auf das Amtsgeheimnis.

"Raum zählt zur Wohnfläche"

Vanc sieht das jedenfalls anders. Sie verweist auf das Kleingartengesetz, wo es heißt: "Befestigte Terrassen dürfen bis zu einer Größe von 16 m² errichtet werden, wobei diese Fläche auch überdacht und mit höchstens einer Seitenwand begrenzt werden darf. Diesfalls ist diese Fläche in die bebaute Fläche einzubeziehen." Auch für Wohatschek ist die Sache klar: "Sobald eine Terrasse zugemacht wird, ist es Raum und zählt zur Wohnfläche."

Das Amt der niederösterreichischen Landesregierung empfiehlt Vanc in einem Schreiben den Gang zum Verwaltungsgerichtshof (VwGH), um die Sache ein für alle Mal zu klären. Das geht aber nur, wenn Vanc Parteienstellung im Bauverfahren bekommt – was fraglich ist. Der Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz hat ihr Ende Juni nämlich per Bescheid mitgeteilt, dass ihr Verein kein Kleingartenverein im Sinne des nö. Kleingartengesetzes sei. Sie beruft dagegen. "Der Instanzenzug steht ihr selbstverständlich offen", sagt Amtsdirektor Helmut Haider dazu.

"Es droht die totale Verhüttelung"

Vanc ist fest entschlossen weiterzukämpfen, da sie befürchtet, dass ansonsten in der Seeschlacht alle Dämme brechen könnten. "Theoretisch könnten nach Auslegung des Sachverständigen solche Konstruktionen in beliebiger Höhe und Größe in den Kleingärten aufgestellt werden." Mehrere andere Pächter würden bereits überlegen, dieselbe Konstruktion anzufertigen. Vanc: "Dann droht die totale Verhüttelung." (Martin Putschögl, 12.7.2015)