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Koschljak und Mussajew: Zwei Jahre teilbedingt und freigesprochen.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Ungewöhnlich grausamer Doppelmord oder politische Verschwörung mit dem Ziel, unbotmäßige Regimegegner auszuschalten: Zwischen diesen beiden Versionen mussten sich am Freitag die Geschworenen im "Alijew-Prozess" entscheiden. Ab 9.20 Uhr berieten die Laienrichter, knapp sechs Stunden später verkündeten sie ihre nicht rechtskräftige Entscheidung: Die beiden Angeklagten Alnur Mussajew und Vadim K. haben nichts mit dem Tod zweier kasachischer Bankmanager zu tun.

Fest steht, dass am 12. Mai 2011 deren Leichen auf einer Mülldeponie in Kasachstan gefunden wurden. Für die Staatsanwälte Markus Berghammer und Bettina Wallner war die Sachlage klar: Der im April in seiner Zelle tot aufgefundene Rachat Alijew, ehemals Kasachstans Botschafter in Österreich und Ex-Schwiegersohn des Präsidenten Nursultan Nasarbajew, hat die beiden ermordet, Mussajew und K. sind seine Komplizen.

Bereits zuvor sollen die Opfer einmal in einen Freizeitkomplex verschleppt und "befragt" worden sein -Alijew, Besitzer der Nur-Bank, hatte den beiden Opfern finanzielle Malversationen vorgeworfen. Dafür wurde Vadim K. nun schuldiggesprochen. Mit sechs zu zwei Stimmen verurteilten ihn die Laienrichter wegen Freiheitsentziehung zu zwei Jahren Haft, 16 Monate davon bedingt. Vom Vorwurf des Doppelmordes wurden die beiden Angeklagten dagegen einstimmig freigesprochen.

Überraschungen

Der wochenlange Prozess bot einige Überraschungen: So entließ etwa Vorsitzender Andreas Böhm die beiden Angeklagten am 29. April aus der Untersuchungshaft, da er keinen "dringenden Tatverdacht" mehr sah. Das Oberlandesgericht sah es anders: Anfang Juni mussten die beiden wieder in eine Zelle.

Böhm machte zum Ärger der Anklagebehörde und der Rechtsvertreter der beiden Witwen der Mordopfer von der Kanzlei Lansky, Ganzger und Partner generell wenig Hehl daraus, dass er die Anklage für zweifelhaft hielt. Befangenheitsanträge gegen ihn wurden aber von ihm und seinen beiden Beisitzern abgeschmettert.

In der Tat waren Merkwürdigkeiten zu beobachten. So widersprach beispielsweise der vom Gericht beauftragte Gutachter in seiner Expertise der Meinung eines deutschen Sachverständigen. Letzterer hatte behauptet, die Entsorgung der Leichen in mit Kalk gefüllten Fässern deute auf medizinische Kenntnisse des Täters hin – Alijew war studierter Arzt. Der heimische Experte sah das genaue Gegenteil: Ein Arzt wäre ganz anders vorgegangen.

Auf der anderen Seite gab es durchaus aus Kasachstan angereiste Zeugen, die Alijew und die beiden Angeklagten schwer belasteten. Nur: Inwieweit deren Aussagen erzwungen waren, blieb der Beweiswürdigung überlassen. Immerhin wurden einige der Zeugen direkt aus kasachischer Haft in das Wiener Landesgericht gebracht.

Dazu wurde auch immer deutlicher, dass die Kanzlei Lansky ungewöhnlich aktiv war. So wurde nicht nur der deutsche Sachverständige für eine Pressekonferenz nach Kasachstan eingeflogen, auch Belastungszeugen bekamen finanzielle Unterstützung. Dazu kamen die Enthüllungen über das engagierte Lobbying von Ex-Politikern wie dem früheren Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und dem deutschen Ex-Innenminister Otto Schily im Auftrag Kasachstans. (red, 10.7.2015)