Schlapp in Athen. Ein neuerlicher Haircut dürfte beim dritten Hilfspaket nicht kommen

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Um 21.30 Uhr, zweieinhalb Stunden vor Ablauf der Frist, sind am Donnerstag per E-Mail neue Sparvorschläge der griechischen Regierung an Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem abgeschickt worden. Erste Details sind in der Nacht auf Freitag durchgesickert.

So bietet die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras an, Vergünstigungen bei der Mehrwertsteuer auf Inseln bis Ende 2016 zu streichen. Dies war bei früheren Gesprächen ein wichtiger Streitpunkt. Zu den griechischen Reformvorschlägen an die Eurozone zählt nach Angaben der Regierung in Athen auch eine Pensionsreform. Ebenso soll der öffentliche Dienst reformiert werden.

Kürzungen bei Verteidigung

Außerdem soll beispielsweise die Körperschaftssteuer noch in diesem Jahr erhöht werden, die Steuer auf Luxusgüter und auf TV-Werbespots soll laut Nachrichtenagentur Reuters sofort erhöht werden. Außerdem soll der Verteidigungsetat bis Ende 2016 um 300 Millionen Euro gekürzt werden. Zudem solle die Abgabenlast für Reedereien soll erhöht werden.

Im Gegenzug fordert Athen ein dreijähriges Hilfsprogramm und Schuldenerleichterungen zur Überwindung der akuten Finanzkrise. Nach eigenen Angaben will Griechenland Finanzhilfen von 53,5 Milliarden Euro beantragen, um ihren Verpflichtungen beim Schuldendienst nachzukommen. Vorgesehen ist demnach ein Zeitraum bis Ende 2018.

Parlament in Athen soll entscheiden

Nur wenn die Vorschläge von Kommission, EZB und IWF als gute Grundlage für Verhandlungen über ein neues Kreditpaket angesehen werden, könnten am Samstag die Eurofinanzminister und ein Eurogipfel am Sonntag (ab 16 Uhr) deren Aufnahme beschließen.

Das griechische Parlament soll einem Vertreter der Regierung in Athen zufolge zweimal über erste Reformschritte abstimmen. Mit einem ersten Votum solle die Regierung ermächtigt werden, die von ihr vorgeschlagenen Reformen mit den Geldgebern verhandeln zu können, sagte der Insider. Diese Abstimmung solle am Freitag erfolgen. Zu einem "späteren Zeitpunkt" werde dann über die Umsetzung der sogenannten vorrangigen Maßnahmen ("prior actions") in dem Reformpaket votiert.

Tusk: Schuldenerleichterungen möglich

Um in letzter Minute noch eine Einigung mit Griechenland zu erzielen, hat EU-Ratsvorsitzender Donald Tusk der Regierung indes Schuldenerleichterungen als Teil eines dritten Hilfspakets in Aussicht gestellt. "Ich hoffe, dass wir heute konkrete und realistische Reformvorschläge aus Athen erhalten", sagte der polnische Ex-Premier wenige Stunden vor Auslaufen der Abgabefrist um Mitternacht, die der Euro-Sondergipfel am Dienstag gesetzt hatte: "Wenn dies geschieht, werden wir parallel dazu einen realistischen Vorschlag der Gläubiger für die Nachhaltigkeit der griechischen Schulden brauchen."

Tusk ist damit der erste – und formal ranghöchste – EU-Vertreter, der sofortige Zusagen in diese Richtung unterstützt.

Drittes Hilfsprogramm

Bisher hatte es stets geheißen, man könne im Herbst über weitere Maßnahmen zur Senkung der Schuldenlast reden, wenn die griechische Seite bestimmte Haushaltsvorgaben erreicht habe. Das entspricht einer Zusage der Euroländer aus November 2012, die zwar Teil des inzwischen ausgelaufenen zweiten Hilfsprogramms war, laut der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel aber weiter "steht". Allerdings wurde dieses Angebot – entgegen dem Wunsch auch von Premier Alexis Tsipras' Vorgänger Antonis Samaras – nie konkretisiert. Genau dies fordert nun Tusk für den Fall, dass sich auch die Griechen bewegen.

Schon länger in Diskussion ist, die Kreditlaufzeiten weiter zu verlängern und die Zinshöhe noch einmal zu senken. Außerdem könnte ein Teil des Geldes aus einem dritten Hilfsprogramm – es ist von mindestens 50 Milliarden Euro aus dem Krisenfonds ESM die Rede – dazu benutzt werden, um relativ kurzfristig fällige Schulden bei der Europäischen Zentralbank (EZB) abzulösen, für die die Euroländer ebenfalls haften. Im Ergebnis liefe dies auf eine Umschuldung hinaus, weil diese Schulden dann erst viele Jahre später beglichen werden müssten.

Kein klassicher Haircut

Einen "klassischen Haircut", also einen echten Rückzahlungsverzicht, schloss Merkel am Donnerstag erneut aus. Dies hatte unter anderem der Internationale Währungsfonds (IWF) in der Vorwoche gefordert. Allerdings sprach IWF-Chefin Christine Lagarde jetzt ebenfalls von "Umschuldung". Lagarde konzedierte wohl eine "akute Krise", in der Griechenland stecke, signalisierte aber Härte: "Der IWF bleibt der Suche nach einer Lösung, um in Griechenland Stabilität und ein tragfähiges Schuldenniveau wiederherzustellen, voll verpflichtet." Um die Gefolgschaft der Union muss unterdessen Merkel bangen, sie braucht ein Mandat des Bundestagsplenums, um überhaupt über ESM-Kredite verhandeln zu dürfen. Insbesondere aus der CSU kamen zuletzt markige Forderungen, den griechischen Patienten lieber außerhalb der Eurozone Zeit zum Gesunden zu geben, anstatt ihn mittels neuer Milliardenhilfen durchzufüttern. (Christopher Ziedler, 10.7.2015)