König der Könige: Der Steirer Rudolf Mitteregger triumphierte viermal auf der Großglockner-Hochalpenstraße: 1970, 1971, 1973 und 1974.

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Großer Sport ist Weltkulturerbe. Die Hochalpenstraße soll's werden.

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Lienz – "Gott soll einen hüten vor allem, was noch ein Glück ist." Die Tante Jolesch wusste natürlich, dass sie Recht hat. Dass sie aber auch in Bezug auf die 67. Österreich-Radrundfahrt recht behalten würde, konnte sie sich schwerlich ausmalen, war doch zu ihrer Zeit der Radsport im Allgemeinen noch nicht sonderlich und im Besonderen überhaupt noch nicht entwickelt.

Es begab sich also wirklich ziemlich spät im verwichenen Frühjahr, dass Wolfgang Weiss, dem neuen Organisator der Österreich-Radrundfahrt in St. Johann / Alpendorf, nach Rücknahme einer finanziellen Zusage durch den Salzburger Land Tourismus ein zentraler Etappenort abhandenkam. Im Pongau hätte nämlich die sogenannte Glockner-Etappe enden sollen.

Das Glück im Jolesch'schen Sinn war, dass Organisator Weiss die Eingebung hatte, die Glockner-Etappe mit der Bergankunft auf dem Kitzbüheler Horn enden zu lassen, also aus zwei Königsetappen quasi eine zu machen. Die Radsportler haben jetzt den Salat, Weiss hat eine Etappe, die er "Tour-de-France-like" nennt. Zu Recht, denn auf 164,7 Kilometer sind Anstiege im Ausmaß von 3712 Metern verteilt. Dagegen ist zum Beispiel die vorletzte Etappe der 102. Tour de France mit ihren rund 2650 Höhenmetern ein Lercherl, wenn auch der legendäre Schlussanstieg nach L'Alpe d'Huez mit seinen 21 Kehren ganz abgesehen vom Tempo, das wohl angeschlagen wird, sowie angesichts des vorher genossenen Etappenmenüs schon noch ein bisserl schlauchender ist als jener zum Alpenhaus am Kitzbüheler Horn. Jener von 723 auf 1850 Meter Seehöhe ist bei einer maximalen Steigung von 14,8 Prozent 14 Kilometer lang, dieser von 732 auf 1670 Meter bei maximal 23 Prozent nur 7,6 Kilometer lang.

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Das heuer quasi fetteste Tour-Teilstück von Saint-Jean-de-Maurienne über 138 Kilometer nach La Toussuire – Les Sybelles kann mit Anstiegen im Ausmaß von rund 4100 Metern aufwarten, ist also auf dem Papier jetzt auch nicht wesentlich kletterintensiver als die aktuelle Etappe über den Großglockner.

"Teilweise ist es fast zu schwer", sagte Gregor Mühlberger. Der 21-jährige Oberösterreicher kann sich das Urteil erlauben, ist er doch der Glocknerkönig des Vorjahres, kennt sich also im Hochgebirge ein wenig aus. Mühlberger kann sich auch vorstellen, den Coup zu wiederholen, zumal es wieder über die Kärntner Seite über die Hochalpenstraße geht. Später auch noch auf dem Kitzbüheler Horn an der Spitze zu sein, traut sich der Fahrer von Felbermayr Simplon Wels nicht zu. Da fehle ihm mit seinem Alter noch die Rennhärte, die etwa sein bald 38-jähriger slowenischer Teamkollege Jure Golcer hätte. Oder der 27-jährige Tiroler Stefan Denifl, der zuletzt das Bergtrikot der Tour de Suisse gewann.

Nicht auf dem Hochtor in 2504 Metern Höhe, sondern auf dem Horn wird das Gesamtklassement und/oder der Gesamtsieger gemacht. Das ist auch ein Erfahrungswert. In diesem Jahrtausend gelang nur drei Glocknerkönigen anschließend auch der Rundfahrtsieg – dem Spanier Juan Manuel Mercado 2005, dem Italiener Riccardo Ricco 2010 und dem Dänen Jakob Fuglsang 2012.

Es geht bergauf.
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Dereinst, als sich die Österreicher Wolfgang Steinmayr und Rudolf Mitteregger um den Gesamtsieg duellierten, war das noch anders. Der Tiroler Steinmayr schmückte zwei seiner vier Rundfahrtssiege mit Glockner-Triumphen, der Steirer Mitteregger gewann gesamt nur dreimal, aber viermal am Glockner, ist also quasi der König der Könige.

Quasi die Königin der Königsetappen schwebt Tour-Organisator Weiss für das nächste Jahr vor. Der Salzburger plant eine Bergankunft, aber auf der Edelweißspitze, wo in 2571 Metern Höhe eine Stichstraße mit Kopfsteinpflaster vom Fuscher Törl aus endet. "Das ist einer der höchsten Straßenpunkte in Europa, ein sehr markanter Punkt", sagte Weiss der Austria Presse Agentur.

Der diesbezügliche Floh sei ihm von Johannes Hörl, dem Chef der Großglockner Hochalpenstraßen AG, ins Ohr gesetzt worden. Der Tante Jolesch wäre die Bergankunft da wie dort nicht recht, sie war schließlich "überall a bisserle ungern". (Sigi Lützow, 10.7.2015)