Eine Art Klimaarchiv für die Wissenschaft: eine langlebige Kiefer (Pinus longaeva) in den White Mountains in den USA.

Foto: Michael Sigl

Wien – Dass Vulkanausbrüche Kälteperioden auslösen können, wird schon lange überliefert. Das bekannteste Beispiel ist die heftige Eruption des Tambora auf der Insel Sumbawa im Jahr 1815. Schwefelpartikel in der Atmosphäre verhinderten daraufhin die normale Sonneneinstrahlung. 1816 kam es zum "Jahr ohne Sommer" mit Nachtfrostperioden in Europa und Nordamerika, zu Überschwemmungen, Missernten und in weiterer Folge zu einer großen Hungersnot.

Bisher fehlte es aber an verlässlichen wissenschaftlichen Methoden, die Vulkanausbrüche zeitlich genau einzuordnen und damit die Folgen zu messen. Diese Lücke schloss nun ein großes Wissenschafterkonsortium mit der Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL), dem Oeschger-Zentrum für Klimaforschung an der Universität Bern (OCCR) und zahlreichen anderen Forschungseinrichtungen. Sie haben den Zeitpunkt von nahezu 300 Vulkanausbrüchen seit der frühen Römerzeit rekonstruiert. Die Arbeit wurde aber erst durch kombinierte Datenanalysen ermöglicht.

Daten aus Wachstumsringen

Durch Eruptionen in die Atmosphäre geschleuderte Schwefelpartikel lagerten sich im Eis in Grönland und der Antarktis ab. Mit Eisbohrkernen lässt sich der Schwefelgehalt von Jahr zu Jahr bestimmen. Die genaue Datierung gelang den Forschern nun erstmals dank Daten aus den Wachstumsringen von Bäumen, die jedem einzelnen Jahr exakt zugeordnet werden können. Die im Fachjournal "Nature" veröffentlichten Resultate belegen deutlich, dass Vulkanausbrüche in den Tropen und hohen Breiten wie Island und Nordamerika schwere und weitverbreitete Kältesommer auf der Nordhalbkugel verursachten.

Sie waren proportional zum Ausmaß der Eruptionen; nach den heftigsten Ausbrüchen hielten die Auswirkungen bis zu zehn Jahre an. Beispiele sind auch die Jahre 536, 626 und 939 unserer Zeitrechnung. Die Partikel verdunkelten die Atmosphäre über Europa so stark, dass zahlreiche Augenzeugen dies bemerkten und es in voneinander unabhängigen Archiven aufgezeichnet wurde.

So wurde ab März 536 im Mittelmeerraum 18 Monate lang eine "rätselhafte Wolke" beobachtet. Sie war Folge einer großen Eruption in den oberen Breiten der nördlichen Hemisphäre. Dazu kam nur vier Jahre später ein zweiter Vulkanausbruch in den Tropen. In der Zeit danach wurden auf der gesamten nördlichen Halbkugel außergewöhnlich kalte Sommer beobachtet.

Der Temperaturschock hielt mehrere Jahre an und verursachte auch in diesem Fall Ernteausfälle und Hungersnöte – was wahrscheinlich auch zum Ausbruch der Justinianischen Pest beitrug, die sich von 541 bis 543 nach Christus über das ganze Byzantinische Reich ausbreitete .

An dem Paper waren neben Geo-, Klima-, Weltraum- und Solarwissenschaftern auch Historiker beteiligt. Sie wollen in Zukunft noch weiter in die Vergangenheit blicken: "Mit neuen hochauflösenden Aufzeichnungen von Eiskernen aus Grönland und der Antarktis wird es wahrscheinlich möglich sein, globale Vulkanaktivitäten und ihre Klimaauswirkungen bis in die letzte Eiszeit zu rekonstruieren. (pi, APA, 8.7.2015)