Wien – An der Spitze ist es einsam. Eben noch badete Bessie Smith im Applaus des Publikums. Als sie die Tür ihrer Wohnung öffnet, brüllt ihr Stille entgegen. Ganz hinten weint ein Kind, schreit, tobt, rüttelt an versperrten Schlössern: "Wo ist meine Mami?"

Es sind die Geister der Vergangenheit, die die Bluessängerin Bessie Smith im gleichnamigen HBO-Film (ab Freitag auf Sky Atlantic HD) wiederholt heimsuchen. Als Kind einer gewalttätigen Mutter wuchs sie in bitterer Armut auf und lernte zu überleben. Stolz und frech trat sie vor die große Ma Rainey (Mo'nique). Über sie erfährt Smith die Wonnen von Wein, Weib und Gesang.

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Doch nur so lange, wie sie sich der Mentorin unterordnet. Dann geht Bessie ihren eigenen Weg, der sie steil nach oben führt und mit einem tragischen Unfalltod endet.

Mit der ganzen Wucht eines Bluessongs erzählt die Regisseurin Dee Rees die Biografie der Sängerin und zeichnet mit dem Porträt ein Sittenbild. Ihre größten Erfolge feiert Smith während der Prohibition, als die Menschen in den Staaten gierig sind nach Unterhaltung und verbotenem Schnaps. Grenzen überschreitet sie forschen Schrittes, bereit zuzuschlagen, wenn es sein muss. Nur gegen bornierte Weiße und feige Ku-Klux-Klan-Anschläge kommt sie nicht an.

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Dass die 1930er-Jahre als Stoff für Qualitätsfernsehen gut geeignet sind, ist beim New Yorker Abosender bekannt: Mit Boardwalk Empire hat er ein erfolgreiches Produkte im Angebot. Möglicherweise hat der Erfolg der Gangsterserie Zögerlichkeiten beseitigt: 20 Jahre reicht die Entstehungsgeschichte des Films zurück. 1995 übergab der Autor Horton Foote den Produzenten Richard und Lili Zanuck das Buch. Lange Zeit war nicht klar, wer die Rolle spielen sollte.

BoardwalkEmpire

MTV kam zu Hilfe, ein Video mit Queen Latifah schaffte Gewissheit. Doch die Zeit war noch nicht reif und Latifah unsicher, ob sie der Vorlage gewachsen ist. Sie ist es, und neben ihr ein wendiges Ensemble mit der göttlichen Mo'nique und dem großen Michael Kenneth Williams als Smiths Ehemann Jack Gee, bekannt aus The Wire und Boardwalk Empire.

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Die Geschichte rückt angesichts solch optischer und akustischer Opulenz zurück – egal: Smiths Musik wird Generationen an Bluessängerinnen beeinflussen. Die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihren Stil pflegte, kann bis heute Vorbild für Schwarze, Frauen, Schwule und Lesben sein. (Doris Priesching, 9.7.2015)

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