Bild nicht mehr verfügbar.

Eigentlich sollte bereits seit Wochen das Gesetz zur "zivilen Partnerschaft" in Kraft sein. Die Gegner der Homo-Ehe blockieren die Regierungsvorlage aber im Senat durch tausende Abänderungsanträge.

Foto: REUTERS/Max Rossi

Täglich zwei Espressi und dann basta: Das ist die Diät, die sich Italiens Staatssekretär Ivan Scalfarotto seit diesem Montag bis auf weiteres selbst verordnet hat. Es handelt sich um den ersten Hungerstreik eines Regierungsmitglieds in Italiens Nachkriegsgeschichte. Der bekennende Schwule protestiert mit seiner Aktion gegen die systematische Verschleppung eines Gesetzes zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in Italien. Der Gesetzesentwurf steckt seit Monaten im Senat fest – blockiert von mehr als 4.300 Abänderungsanträgen, die die Gegner der Homo-Ehe eingereicht haben.

Die gesetzliche Regelung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften – und auch jene der heterosexuellen Partnerschaften ohne Trauschein – ist ein Thema, an dem sich im katholischen Italien schon mancher Politiker die Zähne ausgebissen hat: Es ist das einzige große Land Westeuropas geblieben, in dem keine entsprechenden Regelungen existieren.

Laut der EU-Grundrechteagentur zählt Italien zu den Mitgliedsländern mit den meisten Diskriminierungen und gewalttätigen Übergriffen auf Schwule und Lesben. Auch viele der 4.300 Abänderungsanträge der nationalen Parlamentarier sind in einem unverblümt homophoben Ton gehalten.

Verhärtete Fronten

Der Streit zwischen den Befürwortern und den Gegnern eines Gesetzes für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wird sehr verbissen geführt. Im Juni hatten auf der römischen Piazza San Giovanni im Rahmen eines "Family Day" eine halbe Million Menschen gegen die Einführung der Homo-Ehe demonstriert und dabei vor einer "schleichenden Abschaffung der traditionellen Ehe" gewarnt. Der Verein Gaynet bezeichnete die Kundgebung als "Festival der Homophobie". Die Fronten sind verhärtet: "Man könnte meinen, dass es zwischen den Demonstrationen katholischer Fundamentalisten und den Gay-Pride-Märschen nichts gibt", sagte Scalfarotto, als er seinen Hungerstreik ankündigte.

Regierungschef Matteo Renzi wollte das Gesetz zur "zivilen Partnerschaft" eigentlich nach Ostern vom Senat verabschieden lassen. Im besten Fall wird sich die kleine Kammer nun nach den Sommerferien im September der Vorlage annehmen. Renzis Problem ist sein wichtigster Koalitionspartner Nuovo Centrodestra (NCD), die Partei von Innenminister Angelino Alfano: Aus den Reihen der Kleinpartei, die sich 2013 von Silvio Berlusconis Forza Italia abgespaltet hat, stammen die meisten Anträge gegen das Gesetz. Ohne NCD hat die Regierung aber im Senat keine Mehrheit.

Ablehnung bei Adoptionen

Solange es lediglich um die rechtliche Gleichstellung schwuler und lesbischer Lebenspartnerschaften mit den heterosexuellen Ehen geht, sind die Italienerinnen und Italiener offener: Laut Umfragen würden mehr als 70 Prozent der Bevölkerung ein entsprechendes Gesetz gutheißen. Anders ist das, wenn es um Adoption durch homosexuelle Paare geht: Das lehnt eine klare Mehrheit ab. Der Gesetzesentwurf der Regierung sieht aber die Adoptionsmöglichkeit ausdrücklich vor, was die Chancen der Vorlage verringert.

Auch der Papst, auf den sich Italiens katholische Politiker gern berufen, wird seinen Segen zu einer kirchlichen Homo-Ehe verweigern. Aber gleichzeitig hat sich Franziskus mehrfach gegen die moralische Verurteilung und gesellschaftliche Diskriminierung Homosexueller gewendet. "Auch innerhalb der Kirche wächst eine neue Sensibilität, die es uns ermöglicht, kulturellen Veränderungen ohne übertriebene Emotionen zu begegnen", sagte der Generalsekretär der italienischen Bischöfe, Nunzio Galantino. Spätestens bei den Adoptionen endet aber auch beim Papst-Vertrauten Galantino die Toleranz: Nicht jeder Wunsch könne zu einem Recht erklärt werden. (Dominik Straub aus Rom, 9.7.2015)