Astana/Wien – Mit den Schlussplädoyers hat am Mittwoch im Prozess um die Entführung und Ermordung der kasachischen Banker Zholdas Timraliyev und Aybar Khasenov, für den der ehemalige kasachische Botschafter Rakhat Aliyev verantwortlich sein soll, die finale Phase begonnen. Den Anfang in dem gut gefüllten Verhandlungssaal des Wiener Straflandesgerichts machte die Staatsanwaltschaft.

In dem Verfahren müssen sich seit Mitte April der ehemalige Chef des kasachischen Geheimdiensts KNB, Alnur Mussayev, sowie mit Vadim Koshlyak, der ehemalige Sicherheitsberater Aliyevs, als mutmaßliche Beteiligungstäter vor einem Schwurgericht (Vorsitz: Andreas Böhm) verantworten. Aliyev wäre als Hauptangeklagter im Zentrum der Vorwürfe der Anklage gestanden – er wurde jedoch am 24. Februar erhängt in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt aufgefunden.

"Ich sitze hier im falschen Prozess"

Mit den Worten "Nebenschauplätze haben viel zu viel Platz eingenommen" eröffnete Bettina Wallner ihre Schlussworte. Schon zuvor hatte ihr Kollege, Markus Berghammer, ähnliche Worte gefunden: "Ich sitze hier im falschen Prozess" – habe er sich gedacht, nachdem immer wieder die Diskussion um den Opferverein Tagdyr und dessen Finanzierung im Raum stand. Aber "Sie haben sicher auch das Spiel hinter den Kulissen durchschaut", sagte Berghammer in Richtung der Geschworenen.

Es habe natürlich auch "widersprüchliche Zeugenaussagen" gegeben, räumte der Staatsanwalt ein. Das liege aber daran, dass viele Zeugen bei ihrer ersten Einvernahme kurz nach der Tat von der Finanzpolizei eingeschüchtert gewesen seien, da dieses damals unter der Kontrolle Aliyevs gewesen wäre. Auch hätten kasachische Behörden eine andere "Art und Weise" Zeugenprotokolle anzufertigen, erklärte Berghammer die Aufzeichnungen aus Kasachstan, die immer wieder ergänzt wurden.

These mit Geheimdienst nicht haltbar

Auch die These, der Fall sei vom kasachischen Geheimdienst KNB gesteuert, um den beim kasachischen Präsidenten Nursultan Nasarbajew in Ungnade gefallenen Aliyev entsprechend zu belasten, sei nicht haltbar. "Wenn ich schon so etwas inszeniere, dann mach ich das auf kasachischen Boden und nehme ihn auch auf kasachischen Boden fest." Aliyev war zehn Tage nach der angeblichen Entführung der beiden Banker am 31. Jänner 2007 erneut als Botschafter nach Wien geschickt worden.

"Fakt ist", die Entführung Mitte Jänner 2007 in den Saunakomplex sowie jene Ende Jänner aus der Nurbank, die schlussendlich mit dem Mord an Timraliyev und Khasenov geendet haben soll, habe es gegeben, betonte Wallner zu Beginn ihres Plädoyers. Das hätten Zeugenaussagen im Laufe des Prozesses eindeutig bewiesen. Dass diese zwischendurch verwirrend waren, hätte unter anderem an der Übersetzung vom Russischen ins Deutsche gelegen: "Bei der Übersetzung geht immer etwas verloren".

Situation eskalierte nach Auftauchen von Polizei

"Aliyev war kein dummer Mensch, er hatte Kenntnisse von Staatsgeheimnissen", und mit dieser Sicherheit habe er agiert, beschrieb Wallner ihre Eindrücke von Aliyev. "Die Tat war nicht von Anfang an geplant, sondern ergab sich aus der Situation", fuhr die Staatsanwältin fort. Die beiden Banker, denen Aliyev vorgeworfen haben soll, ihn finanziell hintergangen zu haben, hätten sich in der Nurbank sicher gefühlt. Durch das Auftauchen einer Polizeisondereinheit, die die damalige Ehefrau eines der Opfer gerufen hatte, eskalierte laut Wallner die Situation.

Die meiste Zeit ihres mehr als einstündigen Plädoyers widmete sie den Widersprüchen in den Aussagen der Angeklagten, insbesondere jenen von Mussayev. So habe dieser stets behauptet, vom KNB genötigt worden zu sein. "Wer soll ihm das glauben", sagte Wallner mit dem Hinweis, dass der Geheimdienst seine Pension bezahlt hatte. Sie warf dem ehemaligen KNB-Chef die Absicht vor, er hätte "Beweismittel an den Bestbietenden" verkaufen wollen – "er wollte seinen Lebensstil aufrechterhalten". Woher Mussayev die Informationen über den Fundort der Leichen hatte, ist laut Wallner eindeutig: "Wohl nur weil er an den Taten beteiligt war".

Gegen Mussayev wurde noch vor Beginn der Schlussplädoyers die Anklage auf Freiheitsentzug erweitert. Er habe die Opfer gegen ihren Willen bei ihrer Entführung festgehalten, hieß es seitens der Staatsanwaltschaft. Sein Verteidiger Martin Mahrer wies den Vorwurf als "unbrauchbar" zurück. Das Schwurgericht hatte nach 15-minütiger Beratung dem Einwand der Staatsanwaltschaft stattgegeben.

Der Privatbeteiligten-Vertreter Wolfgang Moringer forderte indes für seinen Mandanten, den Vater des Opfers Timraliyev, 10.000 Euro Schadensersatz von den beiden Angeklagten. Die Verteidiger lehnten alle Ansprüche ab.

Rechtsvertreter der Witwen rechnete mit Aliyev ab

Der Rechtsbeistand der beiden Witwen bezeichnete Aliyev als "mächtigen eitlen Mann", dessen Wort "Gesetz" gewesen sei. Koshlyak sah Ganzger als "Handlanger" bzw. "rechte Hand" Aliyevs und "Gefangenenwärter Nummer eins", der bedingungslos den Befehlen seines Vorgesetzten gefolgt sei.

Die Urteile sind für kommenden Freitag geplant. (APA, 8.7.2015)