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Erhält den diesjährigen Georg-Büchner-Preis: Rainald Goetz.

Foto: EPA/ARNE DEDERT

Darmstadt – Manchmal sind die Herrschaften der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, die in Darmstadt jährlich über der Entscheidung brüten, an wen der Büchnerpreis verliehen werden soll, für Überraschungen gut. So auch dieses Jahr, in dem sie die wohl begehrteste Auszeichnung des deutschen Literaturbetriebs (50.000 Euro) an Rainald Goetz (61) verleihen.

Die Gefahr der Eingemeindung und Verharmlosung besteht bei diesem Autor, auch wenn er mittlerweile den Anzug der Kapuzenjacke vorzieht, eher nicht. Vielmehr wird mit dieser Entscheidung der Fokus auf ein Werk gelegt, das seit den frühen 1980ern singulär in der deutschsprachigen Literaturlandschaft steht.

"Jeder, der schreibt, tritt an unter diesem einen strengen Gesetz: Ist das die Welt? Ist das richtig? Ist das wichtig? Ist das brauchbar im Kampf?", schrieb Goetz 1984 im Spex. Ein Jahr zuvor hatte er in Irre (es ist mit Johann Holtrop sein einziger Roman im engeren Sinn) einen Psychiatrieassistenzarzt an der erschreckenden Wirklichkeit in einer "ultimativ betexteten" Welt verzweifeln lassen. Immer wieder legt Goetz seither die Nahtstellen zwischen Erfahrung, auch körperlicher, und Text frei, was stets die Frage aufwirft: "Wie schreiben?"

Er beantworte diese Frage schon früh mit den beiden Texten Ich lese, wie um mein Leben (1978) und Ich muss mein Leben schreiben (1983), die auch den Versuch thematisieren, einem universellen Anpassungszwang durch Lektüre und Schreiben, oft in Form obsessiver Lebensmitschriften, zu widerstehen.

Goetz' aus Theatertexten, Essays, Hörstücken und tagebuchartigen Aufzeichnungen wie Abfall für alle (1999) bestehendes Werk ist vielschichtig, doch auch von Kontinuitäten geprägt. Denn ob er nun einen Bericht (loslabern, 2008) oder eine disparate Materialsammlung (1989 in Festung, 1993), eine Erzählung wie Rave (1998) oder einen Roman über die Abnützungskämpfe in deutschen Machtzentralen (Johann Holtrop, 2012) schreibt, immer ist Goetz ein scharfer Beobachter seiner selbst und zugleich ein dem Treiben ausgesetzter Chronist des zumeist hauptstädtischen Musik-, Medien-, Kunst- und Kulturlebens. (Stefan Gmünder, 8.7.2015)