Publizistikwissenschafter Jörg Matthes analysiert Kinderfilme.

Foto: Barbara Mair

Die junge Protagonistin steckt ein kleines Plastikpaket in die Mikrowelle und – brrrrrr, pling – innerhalb weniger Sekunden transformiert die Hitze es zu einem riesigen Hamburger mit zweierlei Saucen und Salat. Modell Doppeldecker. Dazu gibt's außerordentlich knusprig anmutende Pommes frites.

Offensichtlich läuft nicht nur Kindern bei dieser Szene aus dem Familienfilm Spy Kids das Wasser im Mund zusammen – aber sie sind, im Unterschied zu Erwachsenen, dem Werbetrick wehrlos ausgesetzt: "Kinder bemerken in der Regel gar nicht, dass es sich um Werbung handelt. Die Szene ist lustig gemacht und das führt dazu, dass die Kinder diese Produkte auch haben wollen", sagt Jörg Matthes, Professor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft in Wien.

Er untersucht, gemeinsam mit seiner Kollegin Brigitte Naderer, in einem aktuellen Forschungsprojekt, welche Auswirkungen Product-Placement in Kinderfilmen tatsächlich auf das Essverhalten der jungen Zuschauer und Zuschauerinnen hat.

Inhaltsanalyse und Experiment

Die Vorgehensweise dabei: Zunächst werden internationale und nationale Kinderfilme aus den Jahren 2013 und 2014, die in Österreich erhältlich sind, analysiert. "Dabei halten wir fest, welche Produkte auf welche Weise und in welcher Frequenz in den Filmen auftauchen. Es geht also darum, wie die Kinder angesprochen werden. Wird das Produkt mit einem positiv besetzten Akteur verknüpft? Wie wird das Produkt vorgeführt? Kommt es zu einer positiven Bestätigung nach dem Verwenden des Produkts? Das alles untersuchen wir mit der Methode der Inhaltsanalyse."

Der zweite Teil der Studie ist als Experiment konzipiert: Die Publizistikwissenschafter gehen an Schulen, "um herauszufinden, wie Schulkinder auf die Nahrungsmittelplatzierungen reagieren."

Die Schülerinnen und Schüler werden in zwei Gruppen eingeteilt und bekommen Filmausschnitte zu sehen. Beiden Gruppen wird der gleiche Filmausschnitt gezeigt – mit dem einzigen Unterschied, dass in der einen Version Nahrungsmittelplatzierungen vorkommen und in der anderen nicht.

Ist der Film zu Ende, dürfen sich die Kinder einen Snack aussuchen. "Wichtig ist, dass dies eher im Vorbeigehen passiert, also das Auswählen der Snacks eine ganz spontane Impulsreaktion ist."

Die Forscher vermuten, dass die Schülerinnen und Schüler, die die Produktplatzierungen gesehen haben, eher zu den Süßigkeiten greifen. Der erste Untersuchungsdurchgang wurde bereits durchgeführt, Ergebnisse werden Ende der Woche vorliegen.

Konfrontation mit Zucker und Fett

"Unser Ziel ist es nicht, Markentreibenden zu erklären, wie sie Kinder besser erreichen", sagt Matthes über die gesellschaftliche Relevanz seiner Forschung. "Die Eltern sind sich oft gar nicht im Klaren, dass die Kinder über Filme mit einer Menge süßhaltigen, fettigen Produkten konfrontiert werden."

Das Anliegen der Wissenschafter ist vielmehr, die Ergebnisse des Projekts, das durch die Österreichische Nationalbank gefördert wird, in die Öffentlichkeit zu tragen – und dort damit für Diskussion zu sorgen: Darüber, was unternommen werden kann, um Kinder besser zu schützen. Darüber, welche Lebensmittel "gut" sind und welche "schlecht".

"Unser Lieblingssnack aus der Kindheit begleitet uns meist ein Leben lang", sagt Matthes. "Und wenn es ein ungesundes Produkt ist, kann das letztendlich negative Effekte auf unsere Gesundheit haben. Darum leiden auch immer wieder Menschen bereits in jungen Jahren an Übergewicht."

Damit dieser Effekt bei den, in Matthes' Experiment getesteten Kindern, ausbleibt, führen er und seine Kollegin nach der Messung ein "Countertreatment", also eine Gegenmaßnahme, durch: Sie klären die Schüler über den Unterschied zwischen Programm und Werbung und die Bedeutung gesunder Ernährung auf. "Das muss lustig und spielerisch passieren. Genauso wie auch die Werbung im Film aufgebaut ist. (Lisa Breit, 8.7.2015)