Barbara Wondrasch ist Österreichs zweite Physiotherapeutin mit PhD.

Foto: FH St. Pölten / Foto Kraus

Bei Knorpelschäden am Knie hilft nach Ansicht vieler Ärzte oft nur eine Operation. Barbara Wondrasch entwarf in ihrem Dissertationsprojekt einen Behandlungsplan, der Patienten auf die heiklen Eingriffe vorbereiten sollte. "Es ist ein individualisiertes Rehabilitationsprogramm bestehend aus Kräftigungs- und Koordinationsübungen, die die Lokalisation des Knorpelschadens berücksichtigen und auch teilweise entlasten", erklärt die Wienerin. Die Behandlung zeigte erstaunliche Wirkung: "63 Prozent der Probanden haben die Operation abgesagt, weil die Beschwerden zurückgingen." Ein Teil könne also durchaus allein mit gezielten physiotherapeutischen Maßnahmen rehabilitiert werden, so ihre Conclusio.

Wondrasch absolvierte ihren PhD in Physiotherapie und Sportwissenschaften. Weil es in Österreich noch keine entsprechende Ausbildung gibt, pendelte sie nach Oslo und besuchte dort die Norwegian School of Sport Science. "In Österreich wäre so ein Studium nur sehr schwer und nur im Rahmen von Sonderprogrammen möglich. In Skandinavien ist eine derartige Ausbildung aber gang und gäbe", sagt die nunmehrige Dozentin am Department Gesundheit an der FH St. Pölten. In ganz Österreich ist Wondrasch erst die zweite Physiotherapeutin mit einem derartigen Abschluss.

Bei jenen Knorpelschäden, die Thema ihrer Dissertation waren, müsse die Forschung zunächst untersuchen, welche Fälle überhaupt physiotherapeutisch behandelt werden können. Eines der Ziele sei es aber, Ärzte zu sensibilisieren, dass sie Physiotherapie zumindest als eine Behandlungsmethode in Betracht ziehen. "Bis vor 15 Jahren hat man auch noch jeden Patienten mit einem Riss des vorderen Kreuzbands operiert. Heute ist das nicht mehr so."

Auch ein zweites Resultat ihres Dissertationsprojekts legt nahe, dass eine gängige Praxis verändert werden sollte. Nach einer Knorpelzelltransplantation, die einen Neuaufbau von Gewebe zur Folge hat, mussten Patienten bisher bis zu zwölf Wochen lang mit Krücken gehen. Der Vergleich mit einem Belastungsprogramm, das nur sechs Wochen auf die Gehhilfe zurückgreift, ergab jedoch keine wesentlichen Unterschiede. Weder MRT-Daten noch das subjektive Empfinden der Patienten würden nahelegen, dass die Krücken tatsächlich so lange benötigt würden, so die klinische Forscherin.

An der FH St. Pölten entwickelt sie heute etwa im Rahmen der Studie "The Children's KNEE" vorbeugende physiotherapeutische Maßnahmen bei Kindern, die durch Übergewicht ein erhöhtes Arthrose-Risiko haben. Bevor sie ab 2010 nebenberuflich in Oslo studierte, war sie eine der ersten Absolventinnen des Masterlehrgangs Evidence-based Physiotherapy am FH Campus Wien. Physiotherapeutin ist sie bereits seit 1996. Das wissenschaftliche Interesse entstand, als bei der ehemals semiprofessionellen Handballerin selbst eine Knieoperation fällig wurde und die Ärzte ihre Fragen nur unzureichend beantworten konnten. Also las sie sich ein und besuchte Kongresse – auf einem davon lernte sie auch jene Professorin kennen, die sie später nach Oslo holen sollte.

Das Interesse an dem Bereich besteht aber schon sehr lange, erinnert sich Wondrasch. Bereits als Kind antwortete sie auf die Stammbuch-Frage nach dem Berufswunsch mit "Sportärztin". (Alois Pumhösel, 13.7.2015)