Eine Kundgebung gegen Antisemitismus im Herbst 2012. Dem Flashmob war ein antisemitischer Übergriff auf einen Wiener Rabbiner vorangegangen.

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Wien – Wer gegen Ausländer hetzt, soll bestraft werden: Das stellte der Nationalrat mit einer Novelle des Verhetzungsparagrafen klar. Sie wurde am Dienstag als Teil der Strafrechtsreform beschlossen.

Bisher war strafbar, Menschen wegen einer konkreten Herkunft oder Staatsangehörigkeit zu diffamieren. Gegen "Ausländer" zu hetzen, fiel bisher nicht darunter, weil die Hetzer ja keine konkrete Herkunft verunglimpften, sondern "nur" das Nicht-Österreicher-Sein – eine sprachliche Feinheit, die vor Gericht einen großen Unterschied macht. Nun wird diese Lücke im Gesetz repariert.

Weiterhin straffrei bleibt hingegen das Hetzen gegen Asylwerber und Flüchtlinge – ein Umstand, der von Flüchtlingsorganisationen kritisiert wird.

Auch vor kleinerem Publikum

Bisher wurden Verhetzungsverfahren oft eingestellt. Die Begründung: Das Publikum, an das sich die Hetzrede richtete, sei zu klein. Das Gesetz forderte mindestens 150 Zuhörer, künftig sind es 30 – auch kleinere Versammlungen oder Onlineforen sind also umfasst.

Künftig sind auch einzelne Angehörige einer Minderheit besser vor Hetze geschützt: Bisher war der Verhetzungsparagraf großteils auf Hass gegen Gruppen – "die Homosexuellen, die Muslime" – ausgerichtet. Nur wer zu Gewalt gegen Einzelne aufrief, macht sich derzeit strafbar. Künftig reicht schon das "Aufstacheln zu Hass". Das sei zwar "schwammig formuliert", sagt Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs von der Uni Wien, doch "wird es an den Gerichten liegen, dem Begriff scharfe Konturen zu geben".

Strengere Strafen

Auch werden künftig teilweise strengere Strafen verhängt: Für Hetze vor größerem Publikum sind bis zu drei Jahre Haft vorgesehen, bisher waren es zwei Jahre. Bis zu fünf Jahre Haft riskiert jemand, dessen Hetze später in körperliche Gewalt mündet. Jedoch muss das Gericht nachweisen können, dass die Gewalt, etwa ein Brandanschlag, durch die hetzerische Äußerung "bewirkt" wurde.

Ob die Novelle zu mehr Verurteilungen führt, ist fraglich. Denn mit der Ausweitung wurde zugleich eine neue Hürde eingezogen: Künftig müssen Richter nachweisen, dass Hetzer auch wirklich eine diffamierende Absicht verfolgen. Bisher mussten Täter nur für möglich halten, dass durch ihre Aussagen die Würde von Menschen verletzt wurde – und das ist leichter nachzuweisen als eine böse Absicht. "Eine ziemliche Verschärfung" sei das, glaubt Grünen-Justizsprecher Albert Steinhauser.

Sensible Behörden

Jurist Volker Frey vom Klagsverband zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern, der den strafrechtlichen Umgang mit Hasskriminalität seit Jahren verfolgt, glaubt dennoch, dass "die Verbesserungen überwiegen". Viel werde nun davon abhängen, "wie sensibel Staatsanwaltschaften und Gerichte vorgehen".

Neu im Gesetz ist zudem eine eigene Regel für das Verbreiten hetzerischer Bilder oder Texte. Wer auf Facebook Hasspostings teilt und befürwortet, hat maximal ein Jahr Haft oder eine Geldstrafe zu befürchten. Das betrifft nicht nur rassistische Hetze. So könnte beispielsweise auch der Spruch "Burschis in die Pfanne hauen", der in Demo-Aufrufen gegen den Burschenschafterball in der Wiener Hofburg verbreitet wurde, unter diesen Tatbestand fallen, glaubt Frey.

Eine weitere Neuerung ist, dass Hetze in Verbindung mit dem Gutheißen von Völkermord im Gesetz eigens erwähnt wird, die Anforderungen sind hier aber strenger als beim Verbotsgesetz, das nationalsozialistische Wiederbetätigung unter Strafe stellt – eine "eigenartige" Einschränkung, wie Kriminologin Katharina Beclin von der Uni Wien meint.

Sollten Hasspostings und Hetzreden im Wiener Wahlkampf weiterhin zunehmen, werden die neuen Regeln noch nicht greifen: Die Strafrechtsreform tritt mit 1. Jänner 2016 in Kraft. (Maria Sterkl, 7.7.2015)