Demo beim Internationalen Praktikanten Aktionstag in Berlin

Foto: ddp/oliver lang

In einer meiner Lieblingssendungen, der US-amerikanischen Serie "Girls", kann man unter anderem den Lebens- und Leidensweg der Protagonistin Hannah mitverfolgen, die nach dem Studienabschluss versucht, ihren Platz im Leben zu finden. In der ersten Folge tritt sie noch als Praktikantin auf, die mit der Frage, ob eine Festanstellung in Aussicht wäre, einen Lachanfall ihres Vorgesetzten provoziert. Dennoch hat sie danach mehrere Jobs, die sie jedoch immer kündigt, da sie sich eigentlich zur Autorin berufen fühlt. Im Anbetracht von Hannahs Vorgehensweise konnte ich als Zuschauerin lediglich fassungslos den Kopf schütteln.

So gibt sie den lukrativen Job bei einem nicht unbekannten Lifestyle-Magazin auf, da sie fürchtet, ihr Schreibtalent zu vergeuden und zu verraten.

Kein Job ohne "Vitamin B"

Doch so sehr ich die Serie mag und selbst wenn Kritiker oftmals betonen, wie realistisch das Leben junger Frauen aus der Mittelschicht in New York City dargestellt wird, stellt sich mir die Frage, wie hoch die Wahrscheinlichkeit im "echten Leben" ist, dass man als junger Mensch, frisch von der Uni, ohne nennenswerte Berufserfahrung einen gut bezahlten Job als Texter bei einem großen Printmagazin findet?

Nun ja, vielleicht mithilfe einer großen Portion "Vitamin B", aber im Normalfall tendieren die Chancen nicht etwa nur gegen null, sie befinden sich im Minusbereich.

"Irgendwas mit Medien"-Fraktion

Ich bin 26 Jahre alt und stehe kurz vor meinem Masterabschluss. Ich muss gestehen, dass ich mich für ein geisteswissenschaftliches Studium entschieden habe und deshalb der "Irgendwas mit Medien"-Fraktion angehöre, wie böse Zungen behaupten würden. Tatsächlich bin ich mit meiner Ausbildung gewissermaßen prädestiniert dafür, den weiteren Berufsweg in der Kultur- oder Medienbranche einzuschlagen. Wie gefühlte 16 Millionen andere junge Leute in diesem Land.

Klar, man könnte an dieser Stelle fragen, warum ich nicht ein aussichtsreicheres Studium gewählt habe wie Jus, BWL oder wenigstens Lehramt. Die Antwort darauf sollte offensichtlich sein: Man verbringt einen Großteil des Lebens mit dem Job, und deshalb sollte das Ziel sein, sich beruflich mit den Dingen auseinanderzusetzen, für die man sich auch interessiert. Ich habe schon seit jeher eine Leidenschaft für Filme, Literatur, Theater und dergleichen. So gesehen stand meine Studienwahl schon lange vor der Matura fest.

Praktika nur mit Berufserfahrung

Um im Kultur- und Medienbereich beruflich Fuß fassen zu können, sollte man zeitig beginnen, den Lebenslauf aufzumotzen und zu stylen. Ein Studium alleine – zumindest im kultur- und geisteswissenschaftlichen Bereich – ist heute so gut wie nichts wert. Man braucht Zusatzqualifikationen, denn Arbeitgeber suchen Arbeitskräfte mit Erfahrung. Diese eignet sich man sich durch Praktika an, häufig, indem man in einem Unternehmen für ein paar Monate ehrenamtlich arbeitet.

Das Absurde an der Sache ist, dass man selbst bei unbezahlten Praktika meistens abgelehnt wird, wenn man nicht schon Berufserfahrung hat. Eine gute Freundin von mir hat ein dreimonatiges Praktikum in einem renommierten deutschen Verlag,einer europaweit bekannten Organisation, sowie längere Auslandsaufenthalte in Frankreich und Italien hinter sich. Dafür unterbrach sie auch mal ihr Studium für ein Semester. Als sie sich bei einem kleinen Verlag bewarb, der drei (!) Volontariate zu vergeben hatte, wurde sie abgewiesen, mit der Begründung, andere Bewerber hätten noch mehr Qualifikationen. Warum gibt es keine Maßnahmen, damit jungen Leuten ohne Vorkenntnisse der Berufseinstieg erleichtert wird? Wie soll man sich Berufserfahrung aneignen, wenn einem keine Gelegenheit dazu geboten wird und selbst unbezahlte Posten immer nur mit denjenigen besetzt werden, die den imponierendsten Werdegang vorlegen? Warum wird der Vorgehensweise von Unternehmen, vollwertige Arbeitskräfte für einen Hungerlohn oder gar unentgeltlich einzustellen nicht Einhalt geboten? Arbeitnehmerschutz, anyone?

Sinnvoll studieren unmöglich

Ich bekenne mich schuldig, dass mir vor dem Gedanken, einen – wenn überhaupt – mit zwei Euro pro Stunde bezahlten Vollzeitjob neben einem laufenden Studium zu erledigen, graut. Einerseits, weil ich keinen Sinn darin sehe, wenn ich in Internetforen erst eruieren muss, welche Lehrveranstaltung am besten machbar ist, wenn man bei den Einheiten nicht anwesend sein kann oder, anders gesagt, sowohl Studium als auch Praktikum irgendwie erledige, ohne wirklich hundert Prozent zu geben und keinen wirklichen geistigen Output davon habe. Andererseits sehe ich nicht ein, mich von einem System vereinnahmen zu lassen, das darauf abzielt, künftige Arbeitnehmer darauf zu konditionieren, die eigenen Ansprüche immer weiter hinunterzuschrauben und dafür immer mehr zu geben. Dass die meisten jungen Leute nur davon träumen können, einmal den Lebensstandard zu haben, auf dem sich unsere Eltern bewegen, ist Fakt.

Weil ich mir – vielleicht ziemlich blauäugig – den Luxus genommen habe, mir nicht den sprichwörtlichen Arsch aufzureißen, um meinen Lebenslauf mit Zusatzqualifikationen zuzukleistern, damit ich von Unternehmen als einstellungswürdiges Arbeitnehmermaterial wahrgenommen werde, habe ich mich voll und ganz auf mein Studium konzentriert. Da es sich dabei mehr um eine Herzensangelegenheit als um alles andere handelt, hätte ich den Job als Studienassistentin sogar ehrenamtlich ausgeführt.

Unternehmen, bei denen ich mich bewerbe, zeigen sich davon eher unbeeindruckt, denn schließlich gibt es da noch immer genug andere Bewerber mit zusätzlichem BWL-Studium, zig Praktika bei Verlagen und Radiosendern und acht Volontariaten bei renommierten Qualitätsmagazinen. (Katharina Widholm, 8.7.2015)